Ausgabe September / Oktober 2021 | Essen & Trinken

Tischnachbarn

Firas Bdiwi bringt in seinem ­orientalischen Feinkostladen in Würzburg arabisches Essen und ­fränkische Gäste an einen Tisch.

Text: Markus Mauritz | Fotos: Wolf-Dietrich Weissbach

Was Gastfreundschaft ist, kann ich gar nicht erklären. Ich bin damit aufgewachsen!“ Firas Bdiwis dunkle Augen werden noch ein wenig größer, als er von den Gepflogenheiten in seinem Heimatland Syrien erzählt. Auf der Straße draußen rollt der Würzburger Feierabendverkehr vorbei, aber hier drinnen, in Firas orientalischem Feinkostladen im Stadtteil Frauenland, erinnert alles an Tausendundeine Nacht: farbenprächtige Teppiche und weiche Kissen, Kaffeekannen mit langen Stielen, von der Decke herab hängen kunstvoll mit allerlei Ornamenten ziselierte Lampen, aus den Vitrinen quillt die ganze Farbenpracht des Orients.

Die arabische Gastfreundschaft ist sprichwörtlich. Herzlich willkommen – ahlan we sahlan – ist mehr als nur eine Begrüßungsformel, die der Baedecker erwähnt. Vor allem hat arabische Gastfreundschaft sehr viel mit gemeinsamem Essen zu tun. „Wenn man bei uns zu Hause Gäste erwartet, dann fängt man zwei, drei Tage vorher mit dem Kochen an“, erzählt Firas. Jedes Menü beginnt mit einer bunten Auswahl verschiedenster Vorspeisen, so genannter mezze. Dann folgt vielleicht Lammfleisch mit Zucchini und geminztem Joghurt – Yakhnet kousa bil laban – oder Hackfleischbällchen mit Pinienkernen und Rosinen – Kibbe filistinia. Oder aber eines der zahllosen Gerichte mit köstlich gefülltem Gemüse. Die arabische Küche ist vitaminreich und vielfältig, und die Zutaten kommen oft aus dem eigenen Garten.

Firas Bdiwi
Firas Bdiwi präsentiert eine seiner syrischen Spezialitäten: Mbrumi – ein Gebäck aus ­Engelshaar“ mit Pistazien gefüllt.

Kochen ist eine Kunst

Balorija ist natürlich etwas Süßes.
Balorija ist natürlich etwas Süßes.

Firas mag am liebsten Falafel. Das war schon als Kind sein Lieblingsessen. Den arabischen Snack kennt man heutzutage auch in Europa. Die Zubereitung ist einfach: Bohnen oder Kichererbsen über Nacht einweichen, abtropfen lassen und fein pürieren, reichlich Kräuter dazu sowie ein paar gehackte Zwiebeln und Salz. Das alles wird noch einmal gut durchgeknetet, zu Klößchen geformt, in Sesam gewälzt und in Pflanzenöl goldbraun frittiert.

Firas Feinkostladen ist auch auf eilige Gäste vorbereitet, die sich rasch einen Happen für die Mittagspause holen wollen. Für die gibt es unter anderem Falafel als Wrap in Fladenbrot gewickelt, um sie aus der Hand zu essen. Wer ein bißchen Zeit mitbringt, bekommt die vegetarischen Leckerbissen zum Beispiel fein abgeschmeckt mit Tahin-Crème aus Sesam oder einer Hummus-Paste aus Kichererbsen, dazu etwas Salat und ein wenig scharfe Sauce. 

Die Orientküche liegt voll im Trend, weil sie abwechslungsreich ist und ausgewogen. Aber das wahre Geheimnis der arabischen Gerichte sind die Gewürze: Chilis, die für die Schärfe sorgen und das Cholesterin senken, das süßlich-würzige Kardamom, das die Stimmung aufhellt, Koriander, der jedem Essen eine süßlich-herbe Note verleiht, pfeffrig-bitterer Kreuzkümmel, der als Grundnote in vielen Gewürzmischungen steckt, leuchtend-gelber Kurkuma, der antibakteriell und entzündungshemmend wirkt, Sumach, das jedem Gericht eine fruchtig-frische Säure gibt. „Kochen ist eine spezielle Form von Kunst“, sagt Firas. Und wer sich dieser Kunst verschrieben hat, der muß das Spiel mit den Zutaten und Gewürzen beherrschen.

Geheimtip

Shawarma-Teller
Shawarma-Teller mit Bulgar, Salat, Auberginencreme, Humus und Brot

Wie man leckere Falafel macht, wußte Firas schon als kleiner Junge, als er noch zu Hause in Homs im Westen Syriens lebte. Die Zubereitung vieler anderer Klassiker der arabischen Küche mußte der studierte Betriebswirt allerdings erst lernen, bevor er vor vier Jahren sein Geschäft in Würzburg eröffnete. Manches hatte er sich von seiner Mutter abgeguckt, einiges hatten ihm noch in Syrien alte Bekannte beigebracht, vieles zeigte ihm ein Freund, der heute ganz in der Nähe von Würzburg lebt. Mit ihm zusammen backt er regelmäßig Baklava.

„Arabische Baklava sind feinste arabische Backkunst mit edlen Zutaten.“ Diese Feststellung ist ihm so wichtig, daß er sie sogar in einer Fußnote auf seiner Speisekarte festgehalten hat. Seine Baklava seien nicht mit dem zu verwechseln, „was man üblicherweise unter Baklava kennt“. Selbstverständlich stellt Firas den Blätterteig dafür selbst her. Hinzu kommen kostbare Pistazien, delikater Honig und noch einige andere Zutaten, deren Namen Firas nicht verraten will. Seine arabische Baklava soll schließlich ein Würzburger Geheimtip bleiben. Firas war von Anfang an bereit, für sein jetziges Leben in Deutschland hinzuzulernen. Zugleich wollte er die Menschen hier von der syrischen Kultur begeistern und ihnen etwas zurückgeben. Das Heimweh nach Homs ist dennoch geblieben. Homs liegt im fruchtbaren Tal des Orontes und war früher eine pulsierende und bedeutende Stadt mit rund einer Million Einwohner. An die Wand hat Firas etliche Fotos seiner Heimatstadt gepinnt. Aus dem Lautsprecher klingt leise arabische Musik: Wadih al Safi, ein Sänger aus dem Libanon, oder Fairuz, die wegen ihrer außergewöhnlich schönen Stimme als Botschafterin der arabischen Musik gilt.

Der tiefere Sinn der arabischen Gastfreundschaft

Daß auch seine Eltern und seine drei Brüder in Würzburg leben, tröstet Firas ein wenig über die verlorene Heimat hinweg. Seit ziemlich genau zehn Jahren wird Syrien von einem Bürgerkrieg zerrissen, der mittlerweile fast einer halben Million Menschen das Leben gekostet hat. Rund 13 Millionen der insgesamt 17 Millionen Syrerinnen und Syrer sind nach UN-Angaben derzeit auf der Flucht – innerhalb und außerhalb des Landes. 

Syriens Geschichte reicht weit in die Vergangenheit zurück. Während der römischen Antike waren Syrien und Ägypten die reichsten und bedeutendsten Provinzen des Imperiums. Später brachten Karawanen aus Äthiopien, von der arabischen Halbinsel und sogar aus Indien Ge-würze nach Damaskus. Von hier aus ging die wertvolle Fracht weiter nach Europa, wo während des Mittelalters bis in die frühe Neuzeit der Gewürzhandel eine immense politische und wirtschaftliche Rolle spielte. Gewürze wurden nicht nur wegen der Gaumenfreuden geschätzt, man brauchte sie auch als Konservierungsstoffe und als Grundlage für Arzneimittel. 

Syrien hat über die Jahrhunderte hinweg so viele Völker gesehen mit so unterschiedlichen Kulturen – sie lebten nebeneinander und miteinander! Hier verschmolzen griechische und römische, arabische und türkische, armenische und indische Kochtradition zu einer außergewöhnlichen Küche. Menschen durch genußvolles Essen zusammenzubringen, ist der tiefere Sinn der arabischen Gastfreundschaft. Um nichts Geringeres geht es Firas Bdiwi in seinem Restaurant.

Orient mitten in Franken
Orient mitten in Franken

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