Editorial von Wolf-Dietrich Weissbach | Ausgabe März / April 2023

Liebe Leserin, lieber Leser,

Ein Frühling hat zweifellos auch seine guten Seiten. Man muß sich nicht so lange unter Bettdecken im Dunklen verkriechen, kann den Hecken beim Erblühen zusehen, kann an seiner Seite womöglich etwas gänzlich Neues probieren. Zum Beispiel Denken. Dazu gibt es stets Anlaß. Vor allem, bevor es uns die Künstliche Intelligenz streitig macht. Im besten Fall schafft sie uns dabei gleich mit ab. Das hätte sogar den Vorteil, daß wir uns nicht auch noch über die Cyberdummheit ereifern müßten bzw. könnten. Genaugenommen müßten wir das natürlich schon jetzt tun, denn es ist kaum anzunehmen, daß die KI auch nur einen Deut vernünftiger sein wird als die, die sie heute füttern und programmieren; und wie oft haben wir bereits das Gefühl, daß all die digitalen Segnungen, sei es bei Banken, Behörden, der Post, beim Fastfood-Mixer, in den Medien usw., nicht etwa alles einfacher, sondern zunehmend komplizierter machen, uns täuschen und oft sogar betrügen.

Na gut, es passiert schon wieder. Man kann gegenwärtig nicht vermeiden, selbst wenn es sich nur um das Intro einer Publikumszeitschrift handelt, nach wenigen Sätzen irgendwie vom erbärmlichen Zustand unserer Welt zu sprechen, will man sich morgens aufrichtig ins Gesicht sehen – und sei es spiegelverkehrt. Man will das gar nicht und verfällt schießlich auf Appelle: Seid anständig, moralisch, freundlich. Unser Zusammenleben in einer Demokratie kann nur funktionieren, wenn wir eben nicht rigoros die uns von uns gewährte Freiheit ausnützen, nicht konsequent unsere Interessen durchsetzen, sondern auf die anderen Rücksicht nehmen. Wo alle nur um ihren Vorteil bedacht sind, wird die Welt unerträglich. Wir wissen das alle. Wir wissen, daß unser eigensinniges Verhalten zu immer neuen Regeln und Gesetzen führt, die ihrerseits offensichtlich immer weniger in der Lage sind, alle Eventualitäten zu berücksichtigen, allen Sonderfällen gerecht zu werden. Der Eindruck, daß unsere, vielleicht irgendwann einmal wohlmeinenden Institutionen mehr und mehr an sich selbst irre werden, ist kaum noch von der Hand zu weisen. Das institutionelle Bemühen, ordnend ins gesellschaftliche Leben einzugreifen, scheint immer mehr Chaos zu erzeugen. Übrigens eine Situation, die von unseren Feinden – und wir haben verrückterweise wieder Feinde – ausgenutzt und nach Kräften gefördert wird. Das Frühlingserwachen, sollten wir alle nutzen, uns selbst zu bändigen.

Nutzen Sie unsere neue Ausgabe, um etwas, auch wenn der Frühling aus uns herausbricht, zur Ruhe zu kommen. Dafür haben wir sie gemacht!

Wolf-Dietrich Weissbach, Chefredakteur

Wolf-Dietrich Weissbach
Chefredakteur

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