Editorial von Wolf-Dietrich Weissbach | Ausgabe Januar / Februar 2024

Liebe Leserin, lieber Leser,

Denken macht traurig. Das ist kaum jemand wirklich gern. Womöglich ist das der Grund, warum es immer seltener vorkommt. Nicht zuletzt wird es komplizierter; allein der Umstand, daß man täglich Unmengen Informationen sichten (und wieder vergessen) muß, um das eigene „Entsetzen über die katastrophische Zuspitzung des Zivilisationsprozesses“ (so nennen das die zuständigen Wissenschaftler) „erleben“ und schließlich ertragen zu können, verdirbt einem die Laune; was allerdings, zumindest in früheren Tagen, als durchaus kleidsam galt. Kein Geringerer als Aristoteles (384 – 322 v. Chr.) bemerkte einst, daß „alle hervorragenden Männer Melancholiker“ seien. (Hervorragende Frauen kamen früher nur als Göttinnen oder Hexen vor.) Und noch über 2300 Jahre später vermag Wolf Lepenies anständigen Träumern gleichsinnig Trost zu spenden: „Der Intellektuelle klagt über die Welt, und aus dieser Klage entsteht das utopische Denken, das eine bessere Welt entwirft und damit die Melancholie vertreiben soll.“ Heute, nochmals schlappe 25 Jahre später, würde dem Soziologen bei diesem Satz vermutlich die Tinte verklumpen. Weiß doch inzwischen sogar kaum noch jemand, ob es wenigstens eigene Gedanken sind, die zu Tränen rühren. Wo sich Google, Microsoft, Meta, Adobe u.a. hemmungslos und ungestraft an den geistigen Leistungen von Dichtern, Denkern, Künstlern, Wissenschaftlern und unseren raren Geistesblitzen in den Sozialen Medien vergreifen können und zu einem unbekömmlichen Brei aus Nullen und Einsen verquirlen, verlieren diese natürlich alle Identität, überhaupt jeglichen Wert und vor allem aber alle Bedeutung. Mit etwas anderen Worten: Die Digitalisierung läßt alle Dinge verschwinden und damit das, was den Menschen Halt gibt; sie „entdinglicht“ die Welt. Künstliche Intelligenz ist sogar dabei, „die menschliche Existenz ganz zu entsorgen, indem sie eine Optimierung(?) des Lebens vornimmt und die Zukunft als Quelle der Sorge abschafft, …“ Wir werden mittels Smartphone mit sinnfreien Infos überschüttet und gleichermaßen entleert. Kommunizieren unentwegt, ohne an einer Gemeinschaft teilzunehmen. Und sind immer weniger in der Lage uns um uns selbst, also im wesentlichen Sinne, um und für unsere NÄCHSTEN zu sorgen. Vermutlich weil wir immer weniger wissen wie!

In dem Buch „Undinge“ von Byung-Chul Han können Sie wesentlich besser solche Überlegungen lesen. Unsere neue Ausgabe ist ein hoffentlich guter Begleittext.

Viel Freude bei der Lektüre!

Wolf-Dietrich Weissbach, Chefredakteur

Wolf-Dietrich Weissbach
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