Ausgabe Mai / Juni 2025 | Geschichte(n)

Nieder mit der Freiheyt!

Mit rund sechzig Veranstaltungen thematisiert die Stadt Würzburg unter dem Thema „Freiheyt 1525 – Freiheit 2025“ die Ereignisse des Bauernkrieges, die sich in diesem Jahre zum 500. Male jähren.

Text: Gunda Krüdener-Ackermann | Fotos: Wolf-Dietrich Weissbach

Computerspiel zur Ausstellung „Ein Flüstern im Pulverdampf: Die Wäscherin von Würzburg“
Computerspiel zur Ausstellung „Ein Flüstern im Pulverdampf: Die Wäscherin von Würzburg“ © Museum für Franken / Rhenus Vina Musica

Auf dem Weg von der Alten Mainbrücke über die Tellsteige hinauf zur Würzburger Festung Marienberg erinnert eine Stele aus Edelstahl, an ihrem Fuß umrankt von stilisierten Wurzeln, an das blutige Ende des Bauernkrieges rund um die Stadt im späten Frühjahr 1525. Würzburg war pars pro toto. Denn überall in Deutschland, wo diese Freiheitsbewegung der Bauern aufgeflammt war, endete sie in einem Blutbad und mit der gnadenlosen Rache der herausgeforderten und letztendlich auf ganzer Linie siegreichen Landesherren. Schätzungsweise 70 000 bis 100 000 Bauern, oft als chaotisch agierende „Haufen“ mit Sensen, Dreschflegeln und Knüppeln bewaffnet, wurden im ungleichen Kampf von den gut ausgerüsteten, kampferfahrenen Reiterheeren und Fußsoldaten der Adligen massakriert, auf der Flucht erschlagen und in einem beispiellosen Rachefeldzug geblendet, gehenkt, verbrannt, gevierteilt. Es sollte für Jahrhunderte aus sein mit den neuen Ideen von Brüderlichkeit, Gerechtigkeit und Freiheit für alle, den Träumen und Hoffnungen, die sich in einem wahren Sturm in Deutschland unter den Bauern, zunächst entfesselt durch die Botschaft Luthers, ausgebreitet hatten.

Gehörte nicht die gesamte ­Schöpfung Gottes allen ­Menschen?

Speisekarte aus den 1960er Jahren des noch heute bestehenden Gasthauses „Zum Stachel“
Die Speisekarte aus den 1960er Jahren des noch heute bestehenden Gasthauses „Zum Stachel“ zeigt uns die Aufständischen als Helden. Sanft lächelnd, aber gut bewaffnet werden sie uns hier vor einer brennenden Burg präsentiert. Die Gaststube „Stachel“ gilt während des Bauernkriegs als Versammlungsort der Aufständischen in Würzburg. Ihren Namen hat sie zweifellos von einem Morgenstern. Ein ­solcher hängt noch immer an der Fassade des Gebäudes. Fotos: Fotoarchiv, Museum für Franken in Würzburg, Saskia Rupp

Die revolutionär neue Technik des Buchdrucks ermöglichte die schnelle und flächendeckende Verbreitung von Luthers Traktaten. Aber auch agitatorische Flugblätter oder die „Zwölf Artikel“ der Memminger Bauern, die als erste Forderung nach Freiheits- und Menschenrechten in Europa gelten, kamen zigtausendfach auch unter die einfachen Leute und wurden begierig aufgenommen. Und in der Bibel, da stand nichts, was die alte feudale und klerikale Ordnung als Gott gegeben hätte belegen können. Vielmehr erzählte die Schöpfungsgeschichte von der Gottesebenbildlichkeit jedes Menschen (die Frauenfrage war dabei allerdings noch kein Thema), und im Neuen Testament erfuhr man, daß das Blut des Heilands für alle Menschen, auch die bislang Entrechteten, gleichermaßen vergossen worden war. „Von der Freiheit eines Christenmenschen“, eine der Hauptschriften des Wittenberger Reformators, befeuerte die Idee, daß es rechtens war, wenn sich Bauern und Leibeigene von dem oft unerträglichen Joch der Leibeigenschaft und Frondienste, von überzogenen Grundabgaben, Steuern, eingefordert nicht nur von weltlichen, sondern insbesondere klerikalen Herren entledigen wollten. Gehörte nicht die gesamte Schöpfung Gottes allen Menschen? Hatte damit nicht jeder das Recht zu jagen, zu fischen, Holz zu schlagen … eben Gottes gute Gaben zu nutzen? Auch hatte der ehemalige Augustinermönch Luther die Klöster- und Kirchenhierarchien, ja sogar die bislang praktizierte und geforderte Frömmigkeit ganz grundsätzlich in Frage gestellt. Das führte in den Turbulenzen der Reformation zu zahlreichen Auflösungen von Konventen, deren Plünderung und zum sog. Bildersturm. Mit einem Male war eine Welt ohne geistliche Herren, die den Bauern mit ihren riesigen Ländereien oft die schwer­ste Last aufbürdeten, vorstellbar.

Wider die mörderischen und räuberischen Rotten

Würzburger Fahnenträger
Würzburger Fahnenträger

Bereits Jahre zuvor hatte es einzelne dramatische Aufstände gegeben, die das Joch, mit dem die Armen gegängelt wurden, abschütteln wollten. 1525 jedoch schwoll der Protest der Bauern zu einem flächendeckenden Brand an. Ausgehend vom äußersten Südwesten über Württemberg, Schwaben, das Allgäu, Franken, Thüringen, Sachsen breitete sich die Bewegung wie ein Lauffeuer in vielen deutschen Landstrichen aus. Darüber war Luther zutiefst erschrocken. Die Gei­ster, die er nach Ansicht vieler Zeitgenossen gerufen hatte, wollte er wieder loswerden. Ihm war Aufruhr ein Greuel. In seiner Schrift „Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern“ fordert er die Herren jetzt auf, aufrührerische Menschen wie „tolle Hunde“ totzuschlagen, sie zu „würgen und zu stechen“. Die hierarchische Ordnung mußte – auch hierzu lieferte die Bibel die Legitimation (s. Röm. 131) – unter allen Umständen aufrechterhalten werden.

Die Ereignisse rund um Würzburg sind ein Beispiel dafür, wie diese alte Ordnung wieder hergestellt wurde. Im März 1525 hatten sich erste Bauern auch in Franken gegen den Adel und die Kirche erhoben. Der Fürstbischof von Würzburg Konrad II. von Thüngen unterschätzte zunächst den Aufstand. Als aber die ersten Untertanen des Bamberger Hochstifts zu den Bauernhaufen überliefen, bat er präventiv um Hilfe. Die Unterstützung ließ jedoch zunächst auf sich warten. Zwischenzeitlich war den „Bauernhaufen“ unterwegs auf ihren Kriegs- und Beutezügen die ursprüngliche „brüderliche Liebe“ mitunter abhandengekommen. Etliche Adlige hatten sie mehr oder weniger gewaltsam gezwungen, sich ihnen anzuschließen. Nolens volens war etwa der berühmte Götz von Berlichingen mit ihnen gezogen. Die Aussichtslosigkeit der Bauern beim Versuch, die Festung Marienberg zu erstürmen, ahnend, suchte er lieber bald das Weite.

Mörderische Metzelei

Jörg Meißner, Direktor Museum für Franken
Jörg Meißner, Direktor Museum für Franken

Aber der Reihe nach: Die Würzburger Bürger gerieten in der Folgezeit zwischen die Fronten. Aus dem Taubertal rückten die Bauern an. Der Bischof forderte die Bürger auf, Hundertschaften zur Niederwerfung des Aufstandes bereitzustellen. Hierin waren die Würzburger untereinander jedoch uneins, verweigerten aber dem Bischof schließlich ihre Unterstützung. Zunächst versuchten sie sich in Vermittlungsversuchen zwischen Bauern und Bischof. Unter persönlicher Leitung des Fürstbischofs kam es zu einer Versammlung in der Stadt, bei der auch Bürger ihre Beschwerden vorbringen konnten. Allerdings weigerte sich Konrad von Thüngen, mit den Bauern zu verhandeln. Das brachte viele Würzburger dazu, sich auf die Seite der Bauern zu schlagen. Das Näherkommen der bäuerlichen „Haufen“ verbunden mit der Drohung, die umliegenden Weinberge niederzubrennen, „überzeugte“ die Stadt zu ihrem Wechsel auf die Seite der Aufständischen. Der Bischof war am 6. Mai bereits vorsichtshalber geflohen und hatte zur Sicherung seiner Festung vierhundert gut ausgerüstete und proviantierte Mann als Besatzung zurückgelassen. Unter der Leitung Florian Geyers zogen die Bauern am 9. Mai in die Stadt ein. Verhandlungen zwischen Verteidigern der Burg und den Bauern zur Übergabe der Anlage scheiterten.

Teresa Novy, Kuratorin der Ausstellung und Sammlungsleiterin Mittelalter und Frühe Neuzeit am Museum für Franken
Teresa Novy, Kuratorin der Ausstellung und Sammlungsleiterin Mittelalter und Frühe Neuzeit am Museum für Franken

Am 14. Mai begannen die Aufständischen mit dem Beschuß der Festung. Daß es um die Sache der Aufrührer nicht allzu gut bestellt sein würde, lag im Bereich des Möglichen. Aber die waren zunächst unbestreitbar die Herren des nun eskalierenden Geschehens. Vorsorglich schrieb man jedoch an den Fürstbischof, daß die Würzburger von den Bauernhaufen zur Teilnahme an der Erstürmung der Burg gezwungen worden waren. Man wollte sich für die Zukunft absichern und alle Optionen offenhalten. Dann rückten Georg Truchseß von Waldburg und andere feudale Herren mit ihrem schlagkräftigen Ritterheer und Fußvolk des Schwäbischen Bundes an. Waldburg war bereits unter dem ihm zugedachten Namen „Bauernjörg“ der Ruf eines gnadenlosen Schlächters vorausgeeilt. Am 2. Juni fand die mörderische Metzelei statt, bei der siebentausend Mann völlig aufgerieben wurden. Auch ein zu Hilfe eilendes Ersatzheer von rund fünftausend Mann konnte nichts mehr ausrichten. Am 8. Juni hatte das Abschlachten ein Ende. Man hatte die Bauern in Würzburg wie auch andernorts vernichtend geschlagen. Der Fürstbischof kehrte als Sieger zurück. Die Bitte der Bürger um Gnade, das Beteuern ihrer Unschuld – all das half nichts. Einhundertfünfzehn Rädelsführer aus Stadt und Land wurden umgehend hingerichtet. Über einhundertfünfzig Bürger, darunter der gesamte Stadtrat wurden gefangengesetzt. Unter ihnen auch der Bildschnitzer und frühere Bürgermeister Tilman Riemenschneider. Dazu bekamen die Würzburger die Auflage, innerhalb von zwei Jahren die gesamten Schäden der Stadt und des Hochstifts finanziell zu begleichen. „Nieder mit der Freiheyt!“ war das nun brachial in die Tat umgesetzte Motto der Feudalherren. Denn als Sieger auf ganzer Linie unterbanden sie für die nächsten Jahrhunderte in Deutschland die politische Teilhabe des Bauerntums und von Teilen der städtischen Mittel- und Unterschicht.

Ein speziell für die Ausstellung konzipiertes Computerrollenspiel

Hellebarde – Holz, Eisen, um 1525
Hellebarde – Holz, Eisen, um 1525
Hellebarden bestehen aus einem langen Holzschaft mit einer breiten schneidenden Klinge und einer Spitze zum Stechen. Diese Waffe eignete sich besonders gegen berittene Gegner, wie adelige Ritter. Fotos: Fotoarchiv, Museum für Franken in Würzburg, Saskia Rupp

2025 gedenkt nun auch Würzburg wie viele deutsche Städte und Regionen der damaligen Ereignisse. Unter dem Titel „1525 – Franken fordert Freiheit*en“ findet als besonderes Highlight vom 11. April bis zum 26. Oktober dieses Jahres eine Sonderausstellung im „Museum für Franken“ auf der Festung Marienberg statt. Für alle Generationen bietet sich hier eine Reise in die Vergangenheit etwa mit bislang noch nicht gezeigten Quellentexten und Abbildungen aus der eigenen Sammlung, mit vielen Mitmachstationen, die insbesondere auch ein junges Publikum ansprechen sollen. Ein speziell für die Ausstellung konzipiertes Computerrollenspiel läßt in der Rolle der Wäscherin Johanna in einer auf historischen Quellen basierenden Welt die Zeit des Bauernkrieges hautnah nachempfinden. Verschiedene Führungen auch mit der Kuratorin der Ausstellung Teresa Novy wie auch Sonntagsspaziergänge oder ein internationaler Museumstag, um nur einiges zu nennen, komplettieren das vielfältige und bunte Programm oben auf der Festung Marienberg. In der Stadt selbst bieten sich Konzerte, Kunstaktionen, Theaterstücke, Ausstellungen und Lesungen. Für ein wissenschaftlich interessiertes Publikum ist das Angebot an hochkarätigen Vorträgen und Lesungen, wozu so bekannte und renommierte Referenten wie Prof. Thomas Kaufmann, Prof. Konrad Liessmann oder Prof. Herfried Münkler geladen sind – um nur einige zu nennen – eine wahre Fundgrube.

Die Drei Bauern, Albrecht Dürer, Reproduktion, um 1497/98
Die Drei Bauern, Albrecht Dürer, Reproduktion, um 1497/98
Kunstsammlungen der Veste Coburg (I, 18,93)
Dieser Kupferstich zeigt drei Bauern. Der Eierkorb war ein ­typisches Attribut dieser Schicht. Ungewöhnlich dagegen war, daß ein Bauer mit einem Schwert abgebildet wurde. Fotos: Fotoarchiv, Museum für Franken in Würzburg, Saskia Rupp

Um zum Schluß eine passende Überschrift aus der Süddeutschen Zeitung vom 7. April zur Befreiung des KZ Buchenwald vor 80 Jahren sinngemäß zu bemühen: Gedenken – und das gilt ganz sicher auch für den Bauernkrieg – ist keine lästige Pflicht der Gegenwart, sondern die Bedingung einer Möglichkeit der Zukunft. Die Zukunft von Freiheit und Gerechtigkeit, wofür vor 500 Jahren die einfachen Menschen gekämpft haben – sie sind bis heute nicht selbstverständlich, sondern ein kostbares, so oft aber mit ­Füßen getretenes Gut. Zur Zeit reibt man sich jedoch die Augen, wie leichtfertig die gerade von so vielen in der westlichen Welt aufs Spiel gesetzt wird. Muß man beides aber (zurück)erobern, kann das bis heute das Leben kosten.

Conterfei etlicher Kriegshandlungen von 1523 bis in das Jahr 1527
Angriff auf die Festung Marienberg. Aus: Conterfei etlicher Kriegshandlungen von 1523 bis in das Jahr 1527. Reproduktion, nach 1527. Die Festung Marienberg war Herrschaftssitz der Würzburger Fürstbischöfe und somit ein Symbol der Unterdrückung. Deshalb sollte sie eingenommen und dem Erdboden gleichgemacht werden. Die Erstürmungen blieben jedoch erfolglos. Foto: Staatsbibliothek Bamberg, RB.H.bell, f. 1, fol. 67. Gerald Raab

Hans Böhm als Pauker von Niklashausen
Hans Böhm als Pauker von Niklashausen
Martin Seger, Reproduktion, 1476, Stadtarchiv Würzburg, Ratsbuch 412, fol. 343r
Schon vor 1524/25 forderten viele soziale Gerechtigkeit und gesellschaftliche Umwälzungen, indem sie dem Prediger Böhm nach Niklashausen folgten. Der Fürstbischof ließ ihn 1476 als Ketzer hinrichten, um die Unruhen zu beenden. Foto: Fotoarchiv, Museum für Franken in Würzburg, Saskia Rupp

Franz Scheiner, Papier, 1909
Franz Scheiner, Papier, 1909
Dieses Kalenderblatt zeigt uns Sebastian von Rotenhan als strahlenden Held verherrlicht. Foto: Fotoarchiv, Museum für Franken in Würzburg, Saskia Rupp
Als königlich-bayerischer Hoflieferant übernimmt der Verlag die Deutung der Geschehnisse im Frühjahr 1525 im Sinne der Obrigkeit.

Würzburger Richtschwert
Würzburger Richtschwert
Wilhelm Wirsberg, Eisen, Mitte 16. Jahrhundert
Viele Aufständische, ob aus dem Bauernheer oder der Bürgerschaft, wurden mit einem Richtschwert wie diesem im Juni 1525 in Würzburg hingerichtet. Dazu ritt der Fürstbischof durch das gesamte Hochstift und ließ anschließend hunderte Todesurteile vollstrecken.

Weitere Zeitschriften vom Verlag Kendl & Weissbach Publikationen

Franken-Magazin

Das Franken-Magazin ist eine unabhängige Zeitschrift – ein Regionalmagazin, das alle 2 Monate erscheint und die mehrseitige Reportage zum Mittelpunkt seines Inhalts erklärt. Das Franken-Magazin zeigt Land und Leute liebevoll von ihrer interessantesten Seite.

Franken-Magazin - Ausgabe 03-04 2023

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