Ausgabe Juli / August 2022 | Landleben

Der Heilige Geist in Michelfeld

Ein ganz persönlicher Bericht über die ­Einweihung eines Kirchenfensters.

Text + Fotos: Belinda Schwab

Der Himmel ist grau an diesem Pfingstsonntag, es ist Regen gemeldet und die Mauersegler fliegen tief hier in Michelfeld, einem Ortsteil von Marktsteft im Landkreis Kitzingen. Die Straßen sind verlassen, und der Ort wirkt wie ausgestorben. Aber das täuscht. Denn kaum öffnet man das kleine Tor und steigt die wenigen Stufen zur Kirche hinauf, hört man beeindruckenden Gesang aus der weit geöffneten Türe erklingen. Es singt der Männergesangsverein Michelfeld, allesamt gestandene Herren, im festlichen Gewand ganz dem Anlaß entsprechend. Denn hier, in der evangelischen St. Michaelskirche in Michelfeld wird heute ein neues Glaskunstwerk, das Pfingstfenster eingeweiht, gestaltet vom Glaskünstler Günther Johrend aus Schwebheim. Es heißt „Heiliger Geist mit Strahlenschweif“ und ist aus transparentem, mundgeblasenem Echtantikglas gefertigt. Die Kirche ist gut gefüllt, auch der letzte Platz ist besetzt, die Dorfhonoratioren, unter ihnen Bürgermeister Thomas Reichert, geben sich ein Stelldichein. Auch die Dekanin Kerstin Baderscheider ist zum Festgottesdienst gekommen, und die Freude über diese Feierlichkeit ist den Menschen ins Gesicht geschrieben. Bereits 2019 begannen die Planungen. Heute, Pfingsten 2022, wird es eingeweiht. Vor einer Woche hat Günther Johrend es eingebaut. Zwei Tage hat das gedauert, dabei sind Geduld, präzises Arbeiten und handwerkliches Geschick vonnöten. Ein Kraftakt und ein willkommener Abschluß der dreijährigen Arbeit.

Zögern Sie nicht, sich selbst von der Strahlkraft des Heiligen Geistes berühren zu lassen
Zögern Sie nicht, sich selbst von der Strahlkraft des Heiligen Geistes berühren zu lassen, sollten Sie in der Nähe von Michelfeld sein. Meist ist die Kirche offen. Sollten Sie sie verschlossen vorfinden, fragen Sie sich durch zur Messnerin Frau Behringer, sie wird Sie sicher gerne einlassen.

Eine Spirale der Freude

Ein Jahr allein hat das Genehmigungsverfahren gedauert. Das Kirchengebäude in Michelfeld ist ein Baudenkmal. Und hier ist Fingerspitzengefühl und Sachkenntnis gefragt. Und von der Planung und dem Entwurf, über viele Gespräche und Treffen hinweg, bis zur Fertigstellung und dem Einbau dauert es halt auch seine Zeit. Unterstützung für das Projekt erfolgte durch den Dekanatsbezirk, die Unterfränkische Kulturstiftung und die Sparkasse Mainfranken, aber auch viele Firmen und Privatleute haben gespendet. Aber jetzt ist es da und leuchtet genau über der Kanzel. Und auch das hat seine Gründe. Anders als in vielen anderen Kirchen, fehlt bei der St. Michaelskirche der Baldachin über der Kanzel, welcher oft mit einer Taube, dem Symbol für den Heiligen Geist, verziert ist. Der Heilige Geist weckt die Begeisterung für den Glauben, inspiriert, bringt Weisheit, verbindet die Menschen und macht mutig  … Auf diese Vorzüge wollte der Kirchenvorstand nicht verzichten. Und auch Pfarrer Peter Stier hatte nichts einzuwenden gegen etwas geistigen Beistand für seine Predigten. Und so beschloß man, das Fenster hinter der Kanzel, eines von drei zweibahnigen Spitzbogenfenstern mit Maßwerk, wird das Pfingstfenster, denn Pfingsten steht ja ganz im Zeichen des Heiligen Geistes. Und jetzt strahlt das Licht durch das farbige Glas auf die Gemeinde, eine Spirale der Freude. Es ist für die Ewigkeit gemacht und wird viele Generationen von Michelfeldern erfreuen.

Posaunenchor und Bratwürste

Der Posaunenchor verkündet dies schmetternd und Pfarrer Peter Stier predigt zwar von der Kanzel herab, aber er ist ganz hier, ganz bei seiner Gemeinde und selbst voller Freude über dieses leuchtende Stück Glaskunst. Ja, natürlich es hat auch Diskussionen gegeben, braucht es das wirklich? Aber der Mensch lebt nicht vom Brot allein … den Leib zu versorgen reicht nicht aus, dieser braucht auch seelische Nahrung! Davon abgesehen hat der Kirchenvorstand aber trotzdem vorgesorgt. Wie immer darf in Franken die Bratwurst bei einem Fest nicht fehlen und blitzschnell ist nach dem Gottesdienst der Grill angeschürt, und man sorgt für Brötchen und Getränke. Jeder kennt hier jeden, im 300 Seelen Dorf, jeder packt mit an. 

Michelfeld ist ein richtig alter fränkischer Ort. Urkundlich erwähnt wird er zum ersten Mal 1157. Aber der Begriff „-feld“ ist ein Hinweis auf eine Siedlung zur Zeit der Fränkischen Landnahme, so wird die Zeit der Kolonialisierung durch die Franken im Rhein-Main-Gebiet genannt. Sie erfolgte zwischen dem 5. und 8. Jahrhundert. Der Name Michel, also Michael, weist auf den Erzengel Michael hin, er wurde sehr verehrt um 500 Jahre n. Chr. Sehr häufig in Bergheiligtümern. Am bekanntesten ist wohl die felsige Insel Mont Saint Michel in der Normandie. Michelfeld selbst befindet sich auf einer Anhöhe des Maintals im Vorland des Steigerwaldes.

Günther Johrend in seinem Atelier
Günther Johrend in seinem Atelier

Noch traditionell hergestelltes Farbglas

Der Erzengel wurde Schutzpatron des Ostfrankenreichs, und in Franken feiern viele Ortschaften zu Michaeli ihre Kirchweih. Auch Günther Johrend selbst hat schon in vielen Michaelskirchen gearbeitet. Als Glaskünstler arbeitet er überwiegend für die Kirche. Schon als kleiner Junge war er von den bunten Fenstern fasziniert. Zu jedem Sonntag gehörte der Besuch des Gottesdienstes, so war es in der Familie Brauch. Insbesondere seine Mutter legte Wert darauf. Auch heute ist sie gekommen, die ganze Familie Johrend ist da. Das Atelier in Schwebheim ist am Haus des Künstlers, und so erlebt jeder den Schaffensprozeß mit. Traditionsbewußtsein und Beständigkeit führen den Künstler auch seit Jahrzehnten in die Glashütte Lamberts nach Waldsassen, wo er sein Glas anhand der mitgebrachten Entwürfe aussucht. Mit dabei ist stets seine Frau Gabi, sie begleitet ihn gerne und unterstützt ihn bei seiner Auswahl. Es ist in Deutschland die einzige Manufaktur, die das Farbglas noch auf traditionelle Weise herstellt. -Jedes Stück ein Unikat. Über 5 000 Farben aus eigener Rezeptur. Der Mitarbeiter Herr Helgert, der ihn immer beraten hat, ist mittlerweile in Rente gegangen, und man hört Günther Johrends Bedauern darüber in seiner Stimme, aber er arbeitet auch mit dem Nachfolger gut zusammen. Da ist er ganz zuversichtlich, und zuversichtlich ist auch der Kirchenvorstand und der Pfarrer, daß man die richtige Entscheidung getroffen hat. Dieses Glaskunstwerk verschönert nicht nur die Kirche, es hinterläßt farbenfrohe Spuren in den Herzen der Menschen.

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