Ausgabe Januar / Februar / März 2022 | Wirtschaft

Vom Silvaner als Frankens Klimagewinner

Der Klimawandel ist in Frankens Weinbergen angekommen, Winzer arbeiten an Strategien gegen Trockenheit. Gleichzeitig steigt die Qualität des Weins. Vor allem der Silvaner sei ein Klimagewinner, sagt Weinbaupräsident Artur Steinmann.

Text: Michaela Schneider | Fotos: Wolf-Dietrich Weissbach
Artur Steinmann
Artur Steinmann

2050 könnten in Franken Klimaverhältnisse wie in Burgund herrschen. Bis Ende des 21. Jahrhunderts rechnen Klimaforscher in Unterfranken mit einer Erwärmung von vier bis fünf Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau. „Ohne Bewässerung wird es den Weinbau in 50 oder 100 Jahren nicht mehr geben“, sagt Artur Steinmann, Präsident des Fränkischen Weinbauverbands. Ressourcen müßten deshalb intelligent eingesetzt werden.

Wenn der 67jährige erzählt, wie sich über Jahrzehnte der Weinbau in der Region gewandelt hat, weiß er, wovon er spricht: Mit seiner Familie bewirtschaftet er in Sommerhausen 16 Hektar Rebfläche, sein Sohn wird das Weingut in vierter Generation übernehmen. Während die Reben vor 20 Jahren noch Anfang Mai austrieben, geschieht dies inzwischen Mitte April. Auch die Lese beginnt teils Wochen früher als einst. 2018, Steinmann spricht von der frühesten Weinlese aller Zeiten, startete sie bereits Ende August. Auch gilt die alte Faustregel, daß 100 Tage nach der Blüte die Weinlese beginne, nicht mehr. Winzern bleiben heute nur noch im Schnitt 80 Tage, einhergehend mit einer entsprechenden Arbeitsverdichtung.

Gleichzeitig lieben Reben per se Wärme und Sonne – und so kommt das veränderte Klima der Qualität des Weins durchaus entgegen. „Früher kämpften wir um 70 Grad Öchsle. Inzwischen steuern wir gegen“, sagt Steinmann. Das geschieht unter anderem durch ein spezielles Laubwandmanagement. Denn wird Laub entfernt, reift die Traube langsamer und die Zuckerbildung in den Früchten wird reduziert. Positiver Nebeneffekt: Im Stock selbst verbleibt mehr Wasser.

Sensoren sollen den Bodenwasserhaushalt messen

Und das wird in Zukunft immer wichtiger werden. In den vergangenen 20 Jahren ist die Niederschlagsmenge in der Region um rund 100 Liter auf ein Niederschlagsmittel von 500 Litern Wasser auf einen Quadratmeter im Jahr gesunken. Zu kämpfen hat Franken dabei mit sehr skelettreichen Böden, die Wasser nicht allzu gut speichern können. Ein Trockenjahr sei kein Problem, das könnten Rebstöcke verkraften, sagt Steinmann. Von 2018 bis 2020 allerdings hatten Frankens Winzer gleich drei Jahre infolge mit Trokkenheit zu kämpfen.

Nicht nur am Laubwandmanagement wird deshalb in Zusammenarbeit mit der Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) in Veitshöchheim geforscht. Auch untersuchen Wissenschaftler verschiedene Unterlagen, basierend auf der Erkenntnis, daß ein dickerer Wurzelstock Trockenstress besser verträgt. Und eine zentrale Rolle wird künftig die Digitalisierung spielen. So wird an Sensoren geforscht, die den Bodenwasserhaushalt messen. Drohnen könnten in Zukunft erkunden, ob tatsächlich Trockenstress im Weinberg droht. Bewässert mittels Tröpfchenbewässerung wird bewußt möglichst spät – nicht nur, um die wertvolle Ressource Wasser zu schonen, sondern auch, weil Rebstöcke, wie Steinmann es formuliert, keinen Überfluß mögen.

Technologien, um die Zukunft des Weinbaus auf sichere Füße zu stellen, sind also im Prinzip entwikkelt. „Jetzt brauchen wir die Unterstützung der Politik, so daß wir die ressourcenschonenden Möglichkeiten nutzen können“, fordert der Weinbaupräsident. Beim Drohneneinsatz etwa hapert es bislang an der Gesetzgebung, Überflugrechte und Fragen der Flugsicherheit sind noch zu klären. Und vor allem mit Blick auf eine groß angelegte Bewässerungsinfrastruktur stehen bislang nur erste Pilotprojekte in den Startlöchern, heiß diskutiert wird nach wie vor über den Bau von Reservebecken und vor allem eine Wasserentnahme aus dem Main.

Artur Steinmann
Hoher Besuch zum Auftakt der Weinlese 2019. Von links im Bild: Artur Steinmann, Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und die Fränkische Weinkönigin Carolin Meyer.

60 000 Arbeitsplätze hängen am fränkischen Weinbau

In Iphofen, Nordheim/Sommerach sowie Oberschwarzach im Steigerwald immerhin ist der Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur inzwischen genehmigt. Wasser aus dem Main soll nur im Winter bei entsprechend hohem Stand entnommen und in Zwischenspeichern gelagert werden. Um zu veranschaulichen, daß es dabei um keine riesigen Mengen geht, zieht Steinmann den Vergleich: Während beim Atomkraftwerk Grafenrheinfeld mehr als 28 Millionen Kubikmeter Wasser verdunsteten, bräuchte es nur 1,5 Millionen Kubikmeter Wasser, um die 6000 Hektar fränkische Rebfläche sinnvoll zu bewässern.

Ohne eine entsprechende Infrastruktur aber wird es laut Steinmann in einigen Jahrzehnten keinen Weinbau mehr in der Region geben. Nordbayern mit Photovoltaikanlagen an den Mainuferhängen statt Weinstöcken? Der 67jährige will sich dies nicht vorstellen, zumal es dabei, wie er deutlich macht, eben um weit mehr als nur den Wein geht. Er verweist auf die Schönheit der hiesigen Kulturlandschaft mit mehr als 200 gut gepflegten Wein- und Winzerdörfern; auf die mehr als 80 Winzervereine, die mit Weinfesten, der Krönung von Weinprinzessinnen oder Heckenwirtschaften für Vitalität in den Dörfern sorgen; auf die Gestaltung der Landschaft, Renaturierungsmaßnahmen inklusive; und auf 300 „Weinerlebnis Franken“-Gästeführer, die eigens ausgebildet wurden. Apropos Tourismus: Seit 2018 entstanden 19 „Terroir F“-Punkte als magische Orte in den Weinbergen, drei weitere sollen dazukommen. Münchner Forscher ermittelten, daß 60000 Arbeitsplätze am fränkischen Weinbau hängen sowie ein Jahresumsatz von 3,2 Milliarden Euro. „Mit Wein machen wir 250 Millionen Euro. Und jeder Euro generiert im Tourismus nochmal 15 Euro“, konkretisiert der Weinbaupräsident.

Piwi als Beitrag zum Umweltschutz

Und schließlich darf eines nicht fehlen: der Blick auf Frankens Markenbotschafter, den Silvaner. Quellen belegen, daß bereits 1659 die erste Silvanerrebe am Schloßberg in Castell gepflanzt wurde, während der kleinen Eiszeit. „Man hat wohl damals schon gesehen, daß der Silvaner sehr robust ist. Das merken wir bis heute“, sagt Steinmann. Und so gilt er auch heute als fränkischer Klimagewinner, der selbst mit Hitze und Trockenheit gut kann. Allerdings galt der Silvaner noch bis zur Jahrtausendwende eher als neutraler Wein ohne allzu viel Aroma. Das änderte sich ab 1999, als Frankens Winzer bei einem Symposium beschlossen, künftig seine Finessen herauszuarbeiten. Heute entstehen so feine, elegante Weine mit dezent-duftigem Aroma.

Parallel startete der Weinbauverband einen Markenprozeß und arbeitete die Besonderheiten des fränkischen Weinlandes heraus: den Kulturreichtum, kein Ort sei ohne ein Baudenkmal so Steinmann; die Authentizität der Menschen; die regionale Verwurzelung der Winzerfamilien, die die Weingüter von Generation zu Generation weitergeben; die Passion zur Perfektion auf der ständigen Suche nach dem perfekten Wein; die Trias aus Buntsandstein, Muschelkalk und Keuper als weltweites Alleinstellungsmerkmal.

„Den Silvaner stellen wir ins Schaufenster und drumherum entstehen andere Sachen“, sagt der Weinbaupräsident, Burgundersorten etwa. Als Beitrag zum Umweltschutz setzen einige Weingüter zudem auf pilzresistente und -widerstandsfähige Traubensorten, kurz Piwi. Auch Sorten wie der Sauvignon Blanc könnten in Zukunft verstärkt kommen. „Die Rotweinfläche ist ausgereizt und wird sich bei 15 Prozent einpendeln. Wir werden eine Weißweinregion bleiben“, ist Steinmann überzeugt. Eine Region mit hochgesteckten Zielen: Man wolle mit die besten Weißweine Europas produzieren. „Wir sind auf einem guten Weg, das zeigen die Auszeichnungen“, sagt der 67jährige.

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