Ausgabe März / April 2022 | Politik & Gesellschaft

Putins Krieg

Text: Gunda Krüdener-Ackermann | Fotos: Wolf-Dietrich Weissbach

Er steht heute immer noch, der hölzerne Sendeturm von Gleiwitz. Sein Überfall am 31. August 1939, eine von mehreren gefakten Aktionen durch die SS, bot Hitlerdeutschland einen Grund, um am 1. September 1939 in Polen einzumarschieren und damit die Jahrhundertkatastrophe des Zweiten Weltkrieges auszulösen. 

Boris Nikolajewitsch Jelzin, Michail Sergejewitsch Gorbatschow und Wladimir Wladimirowitsch Putin besuchen Madame Tussaud‘s Wachsmuseum in Prag.
Boris Nikolajewitsch Jelzin, Michail Sergejewitsch Gorbatschow und Wladimir Wladimirowitsch Putin besuchen Madame Tussaud‘s Wachsmuseum in Prag.

Zeitsprung: 24. Februar 2022. Wieviel leichter läßt sich in der Jetztzeit moderner Medien im Bedarfsfall ein Kriegsgrund konstruieren, ja sogar „authentisch“ bebildern! Heute ist es der angebliche Genozid an der russischen Bevölkerung in der Ukraine im allgemeinen und in den Separatistenprovinzen Luhansk und Donezk im besonderen. Putin hat unter diesem Vorwand der Ukraine den Krieg erklärt und diese völkerrechtswidrig angegriffen. Das mühsam nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Zusammenbruch der Sowjetunion aufgebaute Miteinander souveräner Staaten wird von einem Tag auf den anderen in seinen Grundfesten erschüttert. Im Rahmen der Völkerverständigung wurde im Laufe vieler Jahre ein Netz von Städtepartnerschaften aufgebaut, die darauf setzen, durch persönliche Kontakte in den verschiedensten Bereichen das Bekenntnis „Nie wieder Krieg“ inhaltlich zu füllen. Seit 1990 besteht eine solche Partnerschaft auch zwischen Nürnberg und der zweitgrößten ukrainischen Stadt Charkiw, einer Stadt dicht an der russischen Grenze. Noch am 23. Februar versicherte der Nürnberger Oberbürgermeister Marcus König seinen ukrainischen Amtskollegen Ihor Terechov der uneingeschränkten Solidarität Nürnbergs und verlieh seiner großen Sorge über die kriegerische Eskalation durch Russland Ausdruck. In Charkiw selbst schien man da noch relativ entspannt und auch in Nürnberg hoffte man bis zuletzt auf eine diplomatische Lösung des Konflikts. Einen Tag später ist alles obsolet. Gestern noch im telefonischen Kontakt, sind mit einem Male alle Leitungen tot. Niemand, nicht einmal per Handy, ist in der dortigen Stadtverwaltung mehr erreichbar. Zwischenzeitlich wird von schweren Gefechten mit Raketenbeschuß in Charkiw berichtet. Panzer – aktueller Stand – sind vor der Stadt aufgefahren und während diese Zeilen entstehen, sicherlich schon eingerückt. Die Menschen vor Ort kaufen in aller Eile Lebensmittel, betanken ihre Autos und, wer kann, sucht sein Heil in der Flucht nach We-sten. Als Begleitmelodie dazu Putins Drohung: Wer immer der Ukraine zu Hilfe eilt, wird es mit „Konsequenzen zu tun haben, die er noch nie erlebt hat“. Selbst das botox-gestählte Pokerface Putins verrät, daß er es ernst meint mit der atomaren Bedrohung. Die Welt reibt sich verwundert die Augen. Aber nach dem ständigen Zündeln in Tsche-tschenien, in Georgien und letztlich nach der Annexion der Krim 2014 hätte man es ahnen können, daß… Nein, daß ein Staatsmann des Jahres 2022 nach den Millionen Toten des „Großen Vaterländischen Krieges“ im eigenen Lande, nach den Millionen Toten des Holodomors (Völkermord durch Verhungern) gerade in der Ukraine durch die sowjetische Zwangskollektivierung der Landwirtschaft von 1932/33 die Grenzen des zaristischen Russlands von 1917 wieder auferstehen lassen will, das konnte wohl wirklich niemand ahnen. 

Ein momentaner Glücksfall, daß der derzeitige amerikanische Präsident nicht Donald Trump heißt! Der applaudiert Putins kaltblütigem Handstreich und findet das alles „genial“, „smart“ und „ausgebufft“. Gnade uns Gott, wenn derselbe oder ein ähnliches Kaliber in zwei Jahren wieder die Staatsgeschäfte in USA übernimmt. Und so sicher wie das Amen in der Kirche: Bald wird auch Peking zum großen Halali auf Taiwan blasen …

In der aktuellen Situation können wir leider nur wenig tun: An Protestversammlungen auf dem Nürnberger Kornmarkt teilnehmen, die Petition „Stop War in Ukraine“ unterschreiben … All das wird Putin jedoch kaum beein-drucken. Vielleicht ist es eine bessere Lösung, dem Spendenaufruf des Partnerschaftsvereins Charkiw zu folgen. Denn dem Krieg auf dem Fuße wird ganz sicher die Not unserer Freunde in Charkiw folgen: DE12 7605 0101 0001 3500 58

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