Ausgabe Januar / Februar 2023 | Interview

Neue Bäume braucht der Wald

Die Wissenschaft ist sich einig: der Klimawandel ist menschen­gemacht. Mittlerweile dürfte jedem auffallen, der mit offenen ­Augen durch die Landschaft geht, unsere Wälder verändern sich: kaum noch Fichten, selbst Buchen fallen der Trockenheit zum Opfer. ­Gerade in diesem Jahr erlebten wir eine ausgesprochene Dürre­periode. Einer, der seit vielen Jahren in unseren Wäldern ­unterwegs ist und der sich mit Alternativen für unseren heimischen ­Baumbestand beschäftigt, ist Förster Andreas Hiller.

Text: Florian Hiller | Fotos: Privat .
Eßkastanie
Eßkastanie

Andreas Hiller, ist unser Wald noch zu retten?

Andreas Hiller: Wenn unser Wald nicht mehr zu retten wäre, könnten wir uns ja entspannt zurücklehnen und einfach abwarten was kommt. Ich glaube schon, daß der Wald zu retten ist. Er wird sich einfach in seinem Äußeren verändern. Vor allem wird es in unserer Region, weg von hohen Nadelholzanteilen hin zu gemischten, laubholzreichen Wäldern gehen. Sprich: der Anteil an Laubbäumen wird mittel- bis langfristig zunehmen müssen. Hier müssen viele verschiedene Baumarten auf die Fläche, damit, wenn eine Baumart ausfällt, noch genügend andere da sind, um deren Funktion zu übernehmen. Auch rückt die Holzqualität nicht mehr in den Mittelpunkt, sondern die Vitalität des einzelnen Baumes und des ganzen Bestandes. Es geht bei den Wäldern in unserer Region darum, den Wald für nachfolgende Generationen zu erhalten. Nicht mehr vordergründig um möglichst wertvolles Holz. Aber darauf wird natürlich trotzdem noch Wert gelegt. Außerdem ist die Rettung unseres Waldes alternativlos. Denn ein Hektar Wald speichert pro Jahr über alle Altersklassen hinweg circa 13 Tonnen CO2. 

Gibt es beispielsweise für die Fichte eine Überlebenschance bei uns, oder wird sie auf mittlere Sicht verschwinden?

Andreas Hiller: Wie ich vorhin schon erwähnt habe, haben bei uns in Franken die Nadelbäume – und hier vor allem die Fichte und die Kiefer – große Probleme mit den immer weiter ansteigenden Temperaturen. Die Fichte wird durch die extreme ­Trockenheit im Sommer so sehr geschwächt, daß der Borkenkäfer leichtes Spiel hat, und die Bäume keine Möglichkeit haben (Abwehr der Käfer durch Ausharzen), sich gegen seine Angriffe zu wehren. In meinem Revier habe ich nahezu alle Fichten entnommen, da sie immer wieder vom Borken­käfer befallen waren. Hier sind etliche Lücken in den Wäldern entstanden, die es nun wieder aufzuforsten gilt.

Andreas Hiller
Andreas Hiller

Welche Möglichkeiten haben Förster, aber auch Privatwaldbesitzer, um dem entgegenzusteuern?

Andreas Hiller: Beim Entgegensteuern brauchen Förster und Privatwaldbesitzer einen langen Atem. Aber der lohnt sich auch. Das zeigen etliche Beispiele, bei denen Folgekulturen mit verschiedensten Baumarten entstanden sind. Also ja, es gibt Möglichkeiten. Wichtig ist es, Schadflächen möglichst schnell wieder aufzuforsten, da solche Flächen ziemlich schnell verunkrauten. Dann wird es immer schwieriger und aufwendiger, neue Kulturen anzulegen. Bei der Anlage neuer Kulturen muß als erstes genau geschaut werden, welche Bäume auf dem jeweiligen Standort eine Chance haben. Hier muß das Gros über heimische Artgenossen realisiert werden. Ein Baum, der mit der Erwärmung und Trockenheit bisher gut zurechtkommt, ist unsere heimische Eiche. Als lichtbedürftige Art pflanzen wir sie vor allem auf Schadflächen. Ergänzt werden sie durch andere heimische Baumarten wie Elsbeere, Rotbuche, Hainbuche, Winterlinde, Vogelkirsche, Spitzahorn, Walnuß, Weißtanne und viele mehr. Aber auch fremdländische Baum­arten werden in geringem Umfang mit eingebracht. Vor allem solche, die mit dem Trockenstress in ihren Ländern gut zurechtkommen.

Sie haben von neuen Baumarten gesprochen – welche meinen Sie da konkret? 

Andreas Hiller: In Bezug auf fremdländische Baumarten haben wir mit Roteiche, Eßkastanie und Douglasie die meiste Erfahrung. Das heißt, diese Arten werden schon seit geraumer Zeit in Süddeutschland gepflanzt und bewirtschaftet. Relativ neu hingegen sind Baumhasel, Orientbuche, Tulpenbaum oder Schwarznuß. Diese werden daher auch nicht in großem Stil, sondern eher versuchsweise mit eingestreut und teilweise auch wissenschaftlich begleitet.

Roteiche
Roteiche
Elsbeere
Elsbeere

Welche Vorteile haben diese? Gibt es schon vergleichbare Ergebnisse aus anderen Ländern, oder anderen Teilen der Welt?

Andreas Hiller: In ihren Heimatländern müssen die Baumarten seit jeher mit Trockenphasen zurechtkommen. Beispielsweise kann die aus Südeuropa stammende Eßkastanie mit ihren ledrigen Blättern hohe Temperaturen besser vertragen als heimische Baumarten. Auch ist sie ein extremer Tiefwurzler, ähnlich der Eiche. Sie bildet eine kräftige Pfahlwurzel aus. Dadurch kommt sie auch in der Tiefe noch an Wasser, wo andere Baumarten bereits in Wasserstress geraten. Man wählt diese Baumarten also grundsätzlich anhand der Bedingungen im jeweiligen Heimatgebiet aus. Die Frage, die wir uns dabei stellen: „Ist das Heimatklima im ,Jetzt‘ vergleichbar mit unserem Klima der Zukunft?“

Geht auch die Gefahr davon aus, daß diese neuen Baumarten unsere heimischen verdrängen?

Andreas Hiller: Man hatte immer mal wieder die Befürchtung, daß dies passieren könnte. Die Blätter der nordamerikanischen Rot­eiche beispielsweise verrotten sehr langsam. Auch ihr Jugendwachstum ist im Gegensatz zu unserer einheimischen Eiche wesentlich schneller. Da die Roteichen jedoch nicht auf großer Fläche eingebracht werden, sondern immer nur gruppenweise im Verbund mit vielen anderen Baumarten, sehe ich hier keine ­Probleme. Sie wird in Deutschland als nicht invasiv eingestuft. Das zeigt, daß die Forstwelt den Aspekt einer möglichen Verdrängung heimischer Arten ernst nimmt und mit einbezieht.

Gibt es gerade auch durch neue Baumarten Chancen für unseren Wald, daß er sogar „besser“ wird?

Andreas Hiller: „Besser“ ist ein schwierig zu definierender Begriff, der sehr subjektiv behaftet ist. Der Wald wird sein Äußeres verändern und seine genetische Vielfalt erhöhen. Bisher kannte man in vielen Regionen Wälder mit hohem Anteil an Nadelholz, oftmals auch in Monokulturen. Hier wird sich die Artenvielfalt von waldbesiedelnden Lebewesen durch das Einbringen vieler verschiedener und standortangepaßter Baumarten erhöhen. Der überwiegende Anteil beim Waldumbau wird auch in Zukunft über heimische Baumarten realisiert werden. Denn die Baumschulen können nicht immer so viele Pflanzen liefern, wie gebraucht werden und bedienen Sortimente mit fremdländischen Baumarten noch nicht in großen Mengen. Eine natürliche Verjüngung über abgeworfene Samen von Altbäumen ist daher die Alternative, die wir immer mit einbinden möchten, sofern die jeweilige Baumart auch in Zukunft hier wachsen kann. Man sollte grundsätzlich offen für Neues sein, um die einheimischen Wälder noch besser auf die bevorstehenden Herausforderungen vorzubereiten.

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