Ausgabe September / Oktober 2011 | Adel

Perückenböcke und Gassenhauer

Hoch über der Markt-Gemeinde Heiligenstadt thront das Barockschloß Greifenstein. Bereits seit Generationen befindet sich die ehemalige Burg im Besitz der Familie von Stauffenberg.

Text: Bernd Schober | Fotos: Wolf-Dietrich Weissbach
Christoph Schenk Graf von Stauffenberg und seine Ehefrau Monika Schenk Gräfin von Stauffenberg.

Wenn man den Schloßberg hinter sich gebracht hat und den kleinen runden Tempel erblickt, weiß man, es ist nicht mehr weit bis nach Greifenstein. Bereits am Anfang der langen Allee, die aus 300 Jahre alten Linden besteht, zeigt einem der weiß getünchte Wehrturm den Weg zum Anwesen der Adelsfamilie. Eine Brücke führt über den trockenenBurggrabenzueinemmächtigen Spitzbogentor. Rechts und links säumen zwei steinerne Löwen mit den Wappen der Familien Schenk von Stauffenberg und Groß von Trockau den Zugang zum Schloß. Rechter Hand erhebt sich der viereckige Marienturm, dessen Sockel vor etwa 1000 Jahren errichtet wurde. Auf die Zeit um 1525 wird das Mittelgeschoß datiert und die oberste Etage des Turmes sogar erst auf das Jahr 1850. Durch das äußere Tor gelangt man nun in einen nahezu quadratischen Vorhof. Er wird an drei Seiten von dem Wehrgang, der von Zinnen umrahmt wird, eingefaßt. Durch einen tiefen inneren Torbogen erreicht man den gepflasterten Innenhof. Links in der Ecke erhebt sich der 30 Meter hohe imposante viereckigeBergfried, der unbewohnte Hauptturm dieser Burganlage. Ihm gegenüber befindet sich die katholische Kapelle, die im romantischen Stil der Neugotik ausgestattet wurde. Eine Sehenswürdigkeit stellt auch der 92 m tiefe Ziehbrunnen des Schlosses dar. Im Jahr 1691 reisten aus Mainz Bergleute an, um den Brunnen in das harte Gestein zu hauen. Sie nutzen die gefundene Quelle für seinen Bau und konnten so die Trinkwasserversorgung der Burgbewohner sicher stellen. Noch bis 1945 stillte das kühle Naß den Durst von Mensch und Tier auf Schloß Greifenstein.

Wie ein Greifvogel

Seinen Namen hat das Bauwerk wegen seiner exponierten Lage erhalten. Wie ein Greifvogel thront es auf einem mächtigen Fels aus fränkischem Juragestein. Erstmals erwähnt wurde das Schloß im Jahre 1172. Der allererste Besitzer Eberhardus Custos de Grifenstein entstammte dem Geschlecht der Schlüsselberger, der damals mächtigsten Adelsfamilie der Fränkischen Schweiz. Im 14. Jahrhundert übernahmen die Herren von Streitberg das Anwesen. Nachdem die beiden Geschlechter erloschen waren, fiel die Burg an das Hochstift Bamberg. Im Bauernkrieg (1523-1526) wurde der Gebäude komplex zerstört und danach größtenteils wiederaufgebaut. Fürstbischof Marquard Sebastian Schenk von Stauffenberg erhielt 1691 die Burg in Form eines Rittermannslehens. Dies wurde ihm gewährt, weil er es schaffte, die damals heikle finanzielle Situation in den Griff zu bekommen und das Hochstift Bamberg aus den Wirren des 30jährigen Krieges herauszuhalten. Nach seinem Tod ging die Burg in den Besitz der von Stauffenberg über. Die Familie ließ das Gebäude als Prestigeobjekt zu einem Jagdschloß im Barockstil umbauen. Aus dieser Zeit stammen die hochbarocken Stuckdecken und der prachtvoll eingelegte Holzfußboden im Ahnensaal des Schlosses. Unter den vielen Bildern der Vorfahren stehen wertvolle antike Möbelstücke und an den Wänden des weitläufigen Raumes hängen die Wappenschilder der Damen, die in die Familie derer von Stauffenberg eingeheiratet haben. Der Fußboden aus Nuß- und Eichenholz, mit kunstvollen Intarsien-Arbeiten verziert, zeigt in der Mitte des Raumes die Kombination des stauffenbergischen Familien-Wappens mit dem Wappen des Hochstifts Bamberg. Am Ende dieses Saales befindet sich ein Schrank, der aus dem 17. Jahrhundert stammt. 19 verschiedene Holzsorten wurden für seine Herstellung verwendet, die 40 Jahre in Anspruch nahm. Auch die
kunstvoll geschnitzten Barock-Türrahmungen mit Engeln im Geweihgang sind bemerkenswerte Zeugnisse der Epoche. Dem Ahnensaal gegenüber findet man das Biedermeier-Zimmer. Es wird, ebenso wie das Teehäusche im Schloßpark, für standesamtliche Trauungen genutzt. Für den kirchlichen Teil der Hochzeit steht die katholische Kapelle St. Sebastian zur Verfügung. Kunsthistorisch interessant ist hier ein 400 Jahre alter Kreuzweg, der aus Buchsbaum geschnitzt wurde. Der Familie von Stauffenberg steht für ihre Besuche der Gottesdienste eine eigeneEmpore zur Verfügung. Die Leidenschaft der Grafen für die Jagd kommt durch die Galerie von Hirschgeweihen und Trophäen an den Wänden zum Ausdruck. In dem langen Korridor kann der Besuche rExponate betrachten, die man nicht alle Tage zu sehen bekommt. Auf aus Holz geschnitzten Hirschköpfen wurden Geweihe aufgesetzt, deren Träger im 17., 18. und 19. Jahrhundert in den zum Schloß gehörenden Wäldern erlegt worden sind. Das Geweih eines 24-Enders kann man hier ebenso finden, wie den stattlichen, ausgestopften Kopf eines kapitalen Keilers. Auch eine Sammlung von Repräsentationslanzen der Regimenter Friedrich des Großen kann hier besichtigt werden.

Der Onkel des Burgherren bot einst Adolf Hitler die Stirn

„Perückenbock“

Jagdleidenschaft

An den Geweihgang schließt sich die Bibliothek des Schlosses an. An die 5000 Bücher stehen in diesem Raum fein säuberlich in ihren Regalen. Sämtliche Druckerzeugnisse sind in einem so guten Zustand, daß sie problemlos aufgeblättert und gelesen werden können. Das älteste von ihnen stammt aus dem Jahr 1530. In diesem Raum sind auch Urkunden und Pokale ausgestellt, die Gräfin Oculi von Stauffenberg für die Zucht ihrer Irish Terrier erhalten hat. Besonders bemerkenswert ist die Auszeichnung für den Hund, der 1971 als Weltsieger prämiert wurde. Im benachbarten sogenannten Herrenzimmer findet der Besucher zwischen einer Pfeifenkopf-Sammlung Friedrich des Großen und einer voll funktionstüchtigen,
wertvollen Holztruhe aus dem Jahre 1624, ein Zeugnis der neueren Geschichte der Familie. Eine Fotografie von Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg, dem Mann, der versuchte, Adolf Hitler durch ein Attentat, zu töten. Nach dem Scheitern der „Operation Walküre“ wurden er und seine Mitverschwörer verhaftet und ohne ein Gerichtsverfahren exekutiert. Die geplante Blutrache an der Familie des Grafen wandelte der Reichsführer der SS, Heinrich Himmler, glücklicherweise in eine Sippenhaft um. Berthold Graf von Stauffenberg, der Urgroßvater des jetzigen Besitzers Christoph Graf von Stauffenberg, starb an den Folgen der Misshandlungen, die ihm im Gefängnis zugefügt worden waren. Weitere interessante Ausstellungsobjekte sind die Fayencen aus der Manufaktur der Markgräfin Wilhelmine, der Schwester von Friedrich dem Großen. Prähistorische Versteinerungen aus den geologischen Schichten des fränkischen Jura informieren über Fauna und Flora der damaligen Zeit. In den drei Waffenkammern des Schlosses wird eine ansehnliche Vielfalt an Gegenständen für den Jagd- und Kriegseinsatz vom Mittelalter bis in die Neuzeitgezeigt. Die Sammlung setzt sich aus Waffen zusammen, die dem Besitz der Adelsfamilie entstammen und aus Beutestücken, die aus gewonnenen Feldzügen hierher gebracht worden sind. Neben kunsthandwerklich wertvollen Dolchen, Säbeln und Pistolen mit Einlegearbeiten und Gravuren, findet man auch exotische Waffen. So gibt es Degen aus Venedig, Schwerter aus China und Dolche aus Malaysia zu sehen. Der hier ausgestellte Gassenhauer ist eine Waffe, die mit Musik rein gar nichts zu tun hat. Das beidhändig geführte Schwert war dazu da, eine Schneise in die Front der heranstürmenden Feinde zu schlagen. Die Soldaten, welche mit dieser Waffe kämpften, erhielten doppelten Lohn. Doch vermutlich konnte der Sold oftmals gar nicht an sie ausbezahlt werden, weil die Männer die Schlacht nicht überlebten. Auch einige Raritäten findet man in dieser Waffenausstellung: Gewehre mit doppelten Schlössern, damit der Soldat zweimal hintereinander schießen konnte oder eine so genannte Windbüchse, die in Nürnberg hergestellt wurde. Sie mußte 1500 per Hand aufgepumpt werden und konnte dann etwa 200 mal „abgefeuert“ werden. Das ideale Gewehr für Heckenschützen in der damaligen Zeit, da sie weder ein lautes Geräusch noch einen Lichtblitz beim Schießen verursachte. Gut nachvollziehen läßt sich für den Besucher auch die Entwicklung der Schußsysteme bei Gewehren, vom einfachen Steinschloß bis zur Anwendung der Patrone. In der hinteren Abteilung der Waffenausstellung sind die Exponate aus der Neuzeit untergebracht. Gewehre aus der Zeit Napoleons mit aufgepflanzten Bajonetten bis hin zu einer Flugabwehr-Kanone. In diese ist ein Splitter einer feindlichen Bombe untrennbar hineingeschmolzen. In der heutigen Zeit öfters zum Einsatz kommen, sollte ein originelles Exponat, das von der Decke eines Ausstellungsraumes baumelt: das Lügenschwert. Wenn einer der Menschen, die darunter saßen, zu viel log, wurden die Glöckchen am Schwert geläutet und der Aufschneider dadurch zur Räson gerufen. Zwei Geschichten gibt es, die mit Schloß Greifenstein in Verbindung gebracht werden. So soll ein Ritter aus Streitberg, der Rote Hans, seine Frau umgebracht haben. Anschließend sei er auf das Dach des Schlosses gestiegen und hätte sich, als Strafe für seine Missetat, zu Tode gestürzt. Seitdem spukt sein Geist, der keine Ruhe finden könne, angeblich durch die Gemächer. Eher amüsant hingegen ist die Anekdote, die man sich von Klemens von Stauffenberg erzählt. Er wollte mit einem Sechs-Spänner die Stadtmauern von Coburg passieren. Doch die Wachleute wiesen ihn darauf hin, daß es sich nur für den Herzog zieme, so zu reisen. Daraufhin ließ Klemens sechs Ochsen einspannen und fuhr in die Stadt ein. Schloß Greifenstein, mit seinem herrlichen Panorama-Blick auf das Frankenland ist ein Ausflugsziel, dessen Besuch sich lohnt. Das alte Bauwerk stellt ein Kulturdenkmal im Gebiet des fränkischen Jura aus vergangenen Zeiten dar, das sicher seines gleichen sucht. Eine Besonderheit auf Greifenstein stellt die Gartenmesse „Schloßparkträume“ dar. Sie findet jedes Jahr Ende Mai statt. 

 

Weitere Zeitschriften vom Verlag Kendl & Weissbach Publikationen

Nach oben