Ausgabe Januar / Februar 2021 | Wirtschaft

Frankens Autozuliefererindustrie

Deutschland hat unübersehbar einen Wendepunkt erreicht. Unsere Mobilitätskonzepte wie auch die Energieversorgung müssen nicht nur neu gedacht, sondern vor allem zügig umgesetzt werden. Aber gerade für Franken mit seiner Auto­zulieferindustrie wird sich dadurch vieles ändern. Es stellt sich die bange Frage: Geht es von nun an mit Karacho in die Katastrophe? Oder bieten sich hier ganz neue Chancen?

Text: Gunda Krüdener-Ackermann | Fotos: Wolf-Dietrich Weissbach

Derzeit sind es vor allem Katastrophenmeldungen, die die fränkischen Automobilzulieferer produzieren. So war am 3. Dezember in den Nürnberger Nachrichten zu lesen: Alle 504 Mitarbeiter der mittelfränkischen Pressmetall in Gunzenhausen werden ab Ende März arbeitslos sein. Angekündigt sind weitere 1000 Stellenstreichungen bei Rehau, davon allein 150 in Oberfranken. Michelin will 2021 sein Werk in Hallstatt stillegen – das kostet 860 Stellen. Brose streicht 900 Stellen in den Werken Bamberg, Hallstadt, Coburg und Würzburg. Bei Schaeffler sollen laut einer Meldung der IG-Metall in Herzogenaurach 1211, in Schweinfurt 767 und in Höchstadt 566 Mitarbeiter entlassen werden. Die Firma ZF versucht es mit dem Abbau von Zeitguthaben seiner Mitarbeiter. Aber wenn das aufgebraucht ist, was dann? Bei Bosch in Bamberg hat man sich die Standortsicherung des Werkes erstritten, dazu den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen bis 2026. Und dann? Betriebsrat Mario Gutmann kann über all das nicht wirklich froh sein, denn die Drohkulisse bleibt. Ganz zu schweigen von den in der Branche auch coronabedingt verlorengegangenen zukünftigen Ausbildungsplätze. Denn nebenbei wird so der jetzt schon allerorten beklagte Fachkräftemangel noch verschärft. Fest steht: Das Wohl und Wehe vieler fränkischer Landkreise und Städte hängt an der zunehmend schwächelnden Autozulieferindustrie, in der allein 56,4 % aller Werktätigen vor Ort beschäftigt sind. „Wir bitten Sie als Bundesminister um Unterstützung für die gesamte Region“, heißt es da aus Bamberg in einem verzweifelten Hilferuf an Peter Altmaier.

Crisis

CDU Bundesvorsitzenden Angela Merkel, 2001
Die damalige Vorsitzende der Jungen Union (JU) und heutige Grande Dame der Autoindustrie, Hildegard Müller (r), applaudiert der CDU Bundesvorsitzenden Angela Merkel auf dem Deutschlandtag der JU im Oktober 2001 in Heilbronn.

Nun ja, vielleicht ist eine solche Bitte gar nicht so verkehrt. Denn die Gelder sprudeln derzeit geradezu ungebremst aus der Corona-Bazooka. Und nicht nur dort. Die immense Summe von acht Milliarden Euro soll in die Wende hin zur Elektromobilität fließen. Weg von der Dreckschleuder Verbrennungs- und Dieselmotor hin zum strombetriebenen sauberen Elektroauto. Lange haben sich die großen deutschen Autokonzerne geziert, aber jetzt soll zügig angepackt werden. Zwar hatte Opel schon vor fünf Jahren vollmundig getönt „Wir haben verstanden!“ Aber das sollte nur werbemäßig dynamisch verkünden: Business as usual. Denn was der Autofahrer braucht sind ganz klar mehr PS, schwere und leistungsstarke SUVs mit ganz vielen Pferden unter der Motorhaube. Und nichts wie rein damit in die Innenstädte! Da nervt allerdings noch dieses ewige Parkplatzgesuche. Aber der Hightech-Bordcomputer läßt keine Wünsche mehr offen. Daß in der Zwischenzeit das Fahrrad zum Urban Vehicle schlechthin geworden ist, davon will man bislang in den Chefetagen der Autokonzerne nichts hören. Anders ist es nicht zu erklären, wenn Hildegard Müller, die Grande Dame der Automobilindustrie, die neuen Popup-Radwege in den Städten schlichtweg als Belästigung von Autofahrern abkanzelt. Die Stadt gehört den Autos. Basta! Stolz verkündet jene Dame daher, daß zwischenzeitlich pro Woche 12 000 neue Elektromobile bundesdeutsche Straßen fluten. Daß die individuelle Mobilität in vieler Hinsicht ein Auslaufmodell sein könnte, davon gibt man sich weitgehend, bis auf die eine oder andere nachdenkliche Fußnote, unbeeindruckt.

Stattdessen weiterhin das mantra-artige Credo: „Die deutsche Autoindustrie darf nicht schlapp machen – sie, der unabdingbare Garant vieler Arbeitsplätze, des allgemeinen Wohlstands, des sozialen Friedens  … Außerdem brauchen freie Bürger freie Fahrt, und das im eigenen Blechgehäuse – in alle Ewigkeit. Amen!

Wundermittel: Abwrackprämie

Wenn’s denn nun unbedingt sein muß, dann eben mit einem Elektromotor. Aber nur dann, wenn Absatzmöglichkeiten im gewohnten Umfang garantiert werden.“ Hauptsache „Alles bleibt anders!“ Wenn schon ein zügiger Ausbau der Elektromobilität verlangt wird, dann aber bitte schön mit den entsprechend üppigen Subventionen. Kaufanreize braucht das Land! Bis zu 9 000 Euro soll es deshalb für den zukünftigen E-Mobil-Besitzer geben: 6 000 Euro vom Staat, den Rest vom Hersteller. Willkommen wäre auch eine kräftige, staatliche Bezuschussung des flächendeckenden Ausbaus der Ladestationen. Und – ist es nicht toll! – selbst die stinkenden Diesel-LKW sollen allmählich zumindest in bundesdeutschen Speditionen verschwinden. (Polnische, litauische … werden uns sicherlich weiter mit ihren Auspuffgasen umwabern.) Auch das Problem LKW wird das Wundermittel Abwrackprämie prima lösen. Wäre da nicht ein „klitzekleiner“ Haken an der Sache. Die Herstellung von neuen Gütern bedeutet immer einen immensen Verbrauch an Rohstoffen und Energie. Aber die Wirtschaft muß doch brummen! Selbst wenn die Polkappen und der Permafrost schmilzen, in der Taiga ununterbrochen die Wälder brennen, das Ökosystem Meer zu kippen droht …

MdL Florian von Brunn, umweltpolitischer Sprecher der SPD
MdL Florian von Brunn, umweltpolitischer Sprecher der SPD

Nachhaltiges Wirtschaften, umsichtige Nutzung der immer begrenzteren Ressourcen ist unabdingbar für eine sauberere Umwelt: nach dem Motto „Cradle to Cradle“ und nicht länger „Cradle to Grave“, wie Florian von Brunn, umweltpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion des Bayerischen Landtags, bekräftigt. Das bedeutet, so viel wie möglich Material und Energie muß so oft wie möglich wieder in neue Produkte rückgeführt werden, um Deutschlands Wirtschaft klimaneutral zu machen. – „Ja, ja! Aber der Umstieg auf Elektroautos, das ist doch ein riesiger Schritt in die richtige Richtung! Die sind doch eine rundum saubere Sache!“ Sind sie das wirklich? Solange Strom nicht klimaneutral produziert wird, bringt Elektromobilität nämlich wenig bis gar nix. Mobilitäts- und Energiewende sind eng miteinander verzahnt. Und da man in Deutschland bekanntlich etwa noch heftig um die Abstandsregeln jedes einzelnen Windrades streitet, kann das mit dem sauberen Autofahren noch dauern. Dann kommen eben Abgase nicht mehr aus dem Auspuff, sondern aus den Schloten der Kohlekraftwerke.

Erwähnt seien auch die Akkus, die Herzstücke, der neuen Autos, deren Herstellung schon aus anderen Gründen alles andere als umweltfreundlich ist. Für die braucht es nämlich u.a. Lithium und Kobalt. Ersteres gibt es bevorzugt in der Sole unberührter Salzsee-Landschaften. Zerstörung von Biotopen, Absinken des Grundwasserspiegels sind somit der Preis. Kobalt hingegen findet sich fast ausschließlich im Kongo. Die Minen gehören meist brutalen Warlords, die die afrikanischen Länder weiter politisch destabilisieren (So viel ganz am Rande zur Frage: Woher kommen nur die vielen schwarzen Flüchtlinge?). Außerdem wird für den Abbau dieser Rohstoffe einmal mehr ganz nebenbei Kinderarbeit billigend in Kauf genommen. So bewahrheitet sich der Satz des alten Indianerhäuptlings Seattle erneut: All things are connected.

Subventionierter-Arbeitsplatzabbau

Soweit ein allgemeiner Exkurs zur vielgepriesenen Elektromobilität. Aber zurück nach Franken und der Sicherung der dortigen Arbeitsplätze. Interessant ist hier wieder mal die altbekannte Zweiteilung Bayerns: im Süden die großen Konzerne wie Audi und BMW, im Norden die nicht selten mittelständischen Zulieferfirmen, die bislang zur Weltspitze ihrer Zunft gehörten. Die sind jedoch in ihrer bisherigen Produktion paßgenau auf Verbrennungs- und Dieselmotoren ausgerichtet. Statt mehrerer Tausend Teile wie bisher, braucht ein Elektromotor aber nurmehr rund 400 Teile. Wie immer man sich dreht und wendet, allein die Zahlen machen klar, daß sich der dramatische Stellenabbau vor Ort nicht aufhalten läßt. Hinzu kommen gänzlich neue Produktionsmethoden, von denen eine der industrielle 3D-Druck ist. Genau besehen, finanziert die staatliche Subvention von Elektromobilität somit das massenhafte Verschwinden von Arbeitsplätzen in der bisherigen Zulieferindustrie.

Asa Petersson, Geschäftsführerin der Mainfranken GmbH
Asa Petersson, Geschäftsführerin der Mainfranken GmbH

Aber wer denkt, die Autobauer da im Süden, die bleiben von den Turbulenzen des Umbruchs verschont, irrt. Auch sie gehen stürmischen Zeiten entgegen. Man hätte es längst ahnen können, aber der Individualverkehr in seiner jetzigen Form ist ein Auslaufmodell. Zeitnah wird ein Rückgang der Nachfrage um 20 % erwartet. Die coronabedingte Finanzierung von Kurzarbeit (das trifft natürlich auch für die Autozulieferindustrie zu) täuscht nicht darüber hinweg, daß die immensen Subventionen der Automobilindustrie letztendlich auch die Arbeitsplätze bei den großen Autoherstellern nicht auf Dauer sichern können. Hinzu kommt, daß das Kapital bekanntlich ein scheues Reh ist: Och nö, Deutschland! Zu hohe Stromkosten, dann diese teuren tariflichen Löhne, das ständige Gerangel mit Betriebsräten und Gewerkschaften, dazu Arbeitsschutz, Umweltauflagen … eben all dieser Schnickschnack, den Kapitalanleger so gar nicht mögen und auf den man andernorts in der Welt gern verzichtet, inklusive Menschenrechte. So kann eine Nachricht nicht verwundern, die parallel zu dem jüngsten staatlichen Geldregen zu lesen war: Der Daimler-Konzern will ab 2024 seine in Deutschland, respektive in Europa entwickelten hocheffizienten modularen Motoren für Hybridfahrzeuge zum großen Teil in China produzieren lassen. Forschungs- und Entwicklungsarbeit etwa am deutschen Standort finanziert, damit mission accomplished. Arbeitsplätze, die gibt’s woanders billiger. Die Politik muß endlich fordern: Leistung nur für Gegenleistung, Förderung der Industrie nur gegen Arbeitsplatzgarantie und damit deren verbindliches Bekenntnis zum Standort Deutschland.

Die Zukunft liegt im kreativen Wandel

Landrat Wilhelm Schneider (CSU)
Landrat Wilhelm Schneider (CSU)

Die schnelle Entwicklung des Corona-Impfstoffes durch deutsche Unternehmen wie Biontech und CureVac mag ein Beispiel dafür sein: Allen Unkenrufen zum Trotz ist Deutschland immer noch, vielleicht sogar im zunehmenden Maße ein lebendiger Innovations- und Forschungsstandort. Somit liegt die Chance für die Zukunft der fränkischen Autozulieferindustrie vor allem im kreativen Wandel. Asa Petersson, Geschäftsführerin der Mainfranken GmbH, versprüht ungebremsten Optimismus. Die Vernetzung aller politischen Kräfte vor Ort, der Körperschaften u. a. mit den Hoch- und Fachhochschulen sowie außeruniversitären Forschungsinstituten wie etwa dem Fraunhofer Institut Automotive Robotic in Schweinfurt machen Hoffnung, daß die zwingend notwendige Konversion gelingen kann. Das bedeutet die Entwicklung innovativer Ideen und Konzepte, neuer Produkte und Märkte, begleitet von digitaler Transformation. In die richtige Richtung geht daher ganz sicher die Initiierung eines dauerhaften sog. Industriedialogs mit den genannten Beteiligten, wie er u. a. von Volkmar Halbleib (MdL/SPD) und dem Haßfurter Landrat Wilhelm Schneider (CSU) vorgeschlagen wird.

MdL/SPD Volkmar Halbleib
MdL/SPD Volkmar Halbleib

Vorderstes Ziel neben der Beschäftigungssicherung ist der Wissenstransfer direkt in die Wirtschaft und damit die gemeinsame Aus- und Weiterbildung von Fachkräften. Hoffnung macht auch, daß der Bund in den nächsten Jahren zwei Milliarden Euro für Innovationscluster in der Automobilzulieferindustrie bereitstellen will, die es dann zügig zu beantragen gilt. Deutschland ist auf dem Weltmarkt immer noch ein Land der sog. Hidden Champions. Produzenten von Hightech-Produkten, die ohne viel Aufhebens an der Weltspitze stehen. Vielleicht erwachsen aus der momentanen Crisis durch den Schulterschluß von Politik, Forschung und Unternehmen in Zukunft neue fränkische Champions. Dabei ist die Politik aber schon jetzt gefordert, umgehend dafür zu sorgen, daß deutsche Hightech-Produkte nicht den derzeit allzu häufigen Weg nehmen: ab mit Idee und Produktion nach Fernost. Vorerst geht es jedoch leider so weiter: Über das neueste Beispiel, den Transfer des hochkarätigen deutschen Chip-Zulieferers Siltronic nach Taiwan kann man in der Süddeutschen vom 2. Dezember lesen.

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