Ausgabe Mai / Juni 2023 | Essen & Trinken

„Fake Food. Essen zwischen Schein und Sein“

Ausstellung vom 28.4. bis 26.11.2023 im Alten Rathaus, Sammlung Ludwig Bamberg

Text + Fotos: Silke Heimerl
Herrliche große Torten aus Pappe – Fake eben – laden ins Entree zur Ausstellung ein.
Herrliche große Torten aus Pappe – Fake eben – laden ins Entree zur Ausstellung ein.

V on der Petrischale auf den Tisch: Wie „echt“ ist unser Essen? Und war es früher besser? Während im 18. Jahrhundert der edle Spargel aus Porzellan täuschend echt nachgebildet wurde, sind die heutigen Methoden, Essen zu „faken“, vielfältiger und raffinierter: Erdbeergeschmack entsteht durch Schimmelpilzkulturen, Superfood kommt aus der Tube, und die Bio-Kartoffel wird mit großem CO2-Fußabdruck aus Ägypten importiert. Die interaktive Ausstellung „Fake Food. Essen zwischen Schein und Sein“ verhandelt Fragen der Echtheit, der Nachhaltigkeit und der kulturellen Prägung unserer Ernährung. Sie präsentiert Hauptwerke des europäischen Porzellans und barocke Fayencen aus der Sammlung Ludwig. Dazu zeigen Installationen, Videos, Hörstationen und eine aufwendige Virtual Reality-Anwendung, wie Essen zu verschiedenen Zeiten inszeniert und imitiert wurde. Mithilfe von VR-Brillen werden die Besucherinnen und Besucher zu Gästen an einer prachtvoll dekorierten Festtafel, wie sie im Barockzeitalter üblich war. Beim interaktiven Tischgespräch können hier verschiedene Themen aus dem Ausstellungskontext aufgegriffen werden. Ohne VR-Brille entpuppt sich der Eßtisch als zeitgenössisch: Im Teller lädt die Social-Media-Plattform der Ausstellung zum Weiterdenken ein und informiert über kulturelle Zusammenhänge und Fake News zum Thema Ernährung.

Spargel – hier fast nicht erkennbar als Dosen – und Zitrusfrüchte ­zierten als begehrte Repräsentations­objekte die höfische Tafel.
Spargel – hier fast nicht erkennbar als Dosen –
und Zitrusfrüchte ­zierten als begehrte Repräsentations­objekte die höfische Tafel.

Essen als Event

Essen als unvergeßliches Event gestalten, alle fünf Sinne ansprechen und als Gastgeber zeigen, was man hat: Dieser Trend ist keineswegs neu, nur die Form hat sich geändert. Die Lust an der Augentäuschung, der Illusionismus, das Vergnügen an Überraschungseffekten und schlichtweg an schönen Objekten auf dem Eßtisch vereinen die Menschen über die Jahrhunderte hinweg. In dieser Ausstellung bietet sich die großartige Gelegenheit, den Gästen den Prunk einer barocken Festtafel im unmittelbaren Vergleich mit der modernen Eßkultur zu präsentieren.

In der Food-Fluencer-Lounge geht es um „Superfood“ von damals und heute.
In der Food-Fluencer-Lounge geht es um „Superfood“ von damals und heute.

Augentäuscher

50 sogenannte „Schaugerichte“ aus dem Bestand der Sammlung Ludwig Bamberg sind in dieser Ausstellung zu sehen, viele dieser Kostbarkeiten werden erstmals öffentlich gezeigt. Die aufwendig gestalteten und lebensecht wirkenden Porzellanstücke und Fayencen aus dem 18. Jahrhundert stellen Nahrungsmittel dar: damals seltene, exotische Oliven, die so frisch wirken wie gerade geerntet, appetitlich angerichtete Salatherzen mit Borretschblüten oder eine Terrine, die als imposanter Truthahn aus der Straßburger Manufaktur von Paul Hannong daherkommt, lebendig wirkende Schnepfen und Tauben: Terrinen und Trompe-l’œils, zu Deutsch Augentäuscher, in Form von Tieren, Obst und Gemüse bildeten die Attraktion der Festtafeln im Barock und trugen dazu bei, ein Gastmahl zum Gesamtkunstwerk zu machen.

Interaktive Stationen informieren und regen zum Nachdenken an.
Interaktive Stationen informieren und regen zum Nachdenken an.

„Du bist, was du ißt“

Barocke Lebenslust, Festlichkeiten und kultivierter Lebensstil an den europäischen Fürstenhöfen des 18. Jahrhunderts gipfelten in einer aufwendigen Tafelkultur. Die Kunst, Gäste zu empfangen, bestand darin, ihnen ein Gesamtkunstwerk zu bieten, das alle fünf Sinne ansprach. Damals wie heute wollten die Menschen das gemeinsame Essen zu einem Erlebnis machen. „Du bist, was du ißt“, heißt es, aber auch, „wo du ißt, mit wem du ißt und wem du es zeigst“. Über die Epochen hinweg teilen wir das gleiche Vergnügen an der Inszenierung von Essen. Was kam und was kommt auf den Teller? Die Frage nach Fake Food, nach echt oder unecht berührt unsere eigene Lebenswelt und gibt Denkanstöße rund um das Thema Ernährung, Transparenz und Nachhaltigkeit.

So nachhaltig wie die fast 300 Jahre alten Exponate sind wenige Lebensmittel. Ob ein handelsüblicher Hamburger die Ausstellungsdauer übersteht, wird in einer Vitrine vom Tag der Eröffnung an zu beobachten sein. Auch religiöse Speisevorschriften und deren heutige Umsetzung gehören zu den Themen, die „Fake Food. Essen zwischen Schein und Sein“ illustriert.

Schildkröten zählten damals zum im Wasser lebenden „Fisch“ und durften deshalb in der Fastenzeit gegessen werden. Vielleicht enthielt diese Terrine seinerzeit Schildkrötensuppe … oder doch Kalbsragout?
Schildkröten zählten damals zum im Wasser lebenden „Fisch“ und durften deshalb in der Fastenzeit gegessen werden. Vielleicht enthielt diese Terrine seinerzeit Schildkrötensuppe … oder doch Kalbsragout?

Echt oder unecht?

Die Frage „Echt oder unecht?“ zieht sich durch die Ausstellung wie ein roter Faden. Sie knüpft immer an den kostbaren Objekten der Tischkultur des 18. Jahrhunderts an und lädt dazu ein, über die reine Augenlust hinaus das Verhältnis der heutigen Menschen zu Essen und Genuß zu reflektieren. So werden Aspekte der Nachhaltigkeit und der kulturellen Prägung unserer Ernährung verhandelt. Aufwand und verschwenderische Fülle werden dem Verzicht und freiwilliger oder unfreiwilliger Beschränkung beim Essen gegenübergestellt. Die Natur überlisten, das ganze Jahr über aus dem Vollen des Nahrungsangebots schöpfen, das war früher nur privilegierten Schichten möglich. Heute ist es in unseren Breiten für alle zur Selbstverständlichkeit geworden, immer mehr Menschen stehen dem kritisch gegenüber und fragen, ob ein solches Angebot nicht vor allem die Bedürfnisse des Marktes bedient. Modetrends unserer digitalen Gegenwart, wie z.B. das sogenannte Superfood, werden augenzwinkernd mit solchen des 18. Jahrhunderts konfrontiert. Geruchs-, Geschmacks- und Gehörsinn kommen ebenfalls nicht zu kurz. Jedes Thema soll die Gäste zu kommunikativem Austausch, zu eigenen Denkanstößen und zur Meinungsbildung über aktuelle Themen animieren.

Ob diese dekorativen Terrinen in Form von Fischen auch wirklich Fisch enthielten?
Ob diese dekorativen Terrinen in Form von Fischen auch wirklich Fisch enthielten?

Süßes oder Saures?

Das Auge ißt bekanntlich mit. Allein von Aussehen und Farbe einer Speise schließen wir auf einen bestimmten Geschmack. Das Auge signalisiert dem Gehirn eine entsprechende Erwartung. Um so überraschender sind wir, wenn Aussehen und Geschmack einander nicht entsprechen, etwa Rosa nicht süß und Gelb nicht sauer schmeckt. Diesen Effekt können die Gäste in der Ausstellung ausprobieren.

Terrinen in Form von Melonen zierten die höfische Tafel des 18. Jahrhunderts.
Terrinen in Form von Melonen zierten die höfische Tafel des 18. Jahrhunderts.

Abwechslungsreiches ­Rahmenprogramm

Vergnügen und Spaß werden aber auch durch spielerische und innovative Formate nicht zu kurz kommen. Ein inklusives und methodisch abwechslungsreiches Bildungsprogramm ergänzt die vielseitige und anregende Ausstellung. Es gibt Führungen zu verschiedenen Themenbereichen und in verschiedenen Sprachen sowie eine Food Challenge für Schülerinnen und Schüler.

Ausstellung: Fake Food.
Essen zwischen Schein und Sein
28.4. bis 26.11.2023
Sammlung Ludwig Bamberg
Altes Rathaus,
Obere Brücke 1, 96047 Bamberg
Öffnungszeiten:
Di. – So. und feiertags 10 –18 Uhr
www.museum.bamberg.de

Gefördert durch:
Peter und Irene Ludwig Stiftung,
Bayerische Sparkassenstiftung,
Oberfrankenstiftung,
Sparkassenstiftung Bamberg

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