Ausgabe Oktober / November 2023 | Denkmalpflege

Eine Synagoge für das Freilandmuseum

Zeugnis jüdischen Glaubens

Text: Saskia Müller M.A. | Fotos: Fränkisches Freilichtmuseum Bad Windsheim
In Allersheim erinnert nur noch der Friedhof an die einst bis zu rund 100 Mitglieder zählende jüdische Gemeinde.
In Allersheim erinnert nur noch der Friedhof an die einst bis zu rund 100 Mitglieder zählende jüdische Gemeinde.

Nach drei Jahren Bauzeit ist es so weit: Die ehemalige Synagoge aus Allersheim im Landkreis Würzburg öffnet am 15. Oktober im Fränkischen Freilandmuseum des Bezirks Mittelfranken in Bad Windsheim ihre Türen für Besucherinnen und Besucher. Sie ist die bislang einzige Synagoge in einem süddeutschen Freilichtmuseum.

Schabbat-Lampen, die dank eines mehrstrahligen Ölbehälters bis zum Schabbatausgang dauerhaft brannten
Das Ruhegebot am wöchentlichen Ruhetag Schabbat schließt bestimmte Handlungen aus, dazu gehörte auch das Betätigen des Lichtschalters. Abhilfe schufen Schabbat-Lampen, die dank eines mehrstrahligen Ölbehälters bis zum Schabbatausgang dauerhaft brannten.

Die Allersheimer Synagoge hat bislang viel mediale Aufmerksamkeit erfahren. Eine Synagoge in einem Freilichtmuseum, das ist nicht nur in Süddeutschland etwas Besonderes – sogar deutschlandweit gibt es derzeit nur ein Freilichtmuseum mit einem entsprechendem Gebäudebestand: Im Freilichtmuseum Hessenpark in Neu-Anspach bei Frankfurt stehen gleich zwei Landsynagogen. Für das Fränkische Freilandmuseum ist die Übernahme der Synagoge ein Glücksfall, sie ist das erste bauliche Zeugnis jüdischen Lebens im Museum. Durch sie kann die Lücke neben evangelischem Glauben und katholischer (Volks-)Frömmigkeit geschlossen werden.

150 Jahre lang diente das 1740/41 errichtete Gebäude den Zwecken der jüdischen Gemeinde. Äußerlich kaum von einem Bauernhaus zu unterscheiden, war das Raumprogramm mit einem Ritualbad (Mikwe) im Keller, einer Wohnung des Rabbiners im Erdgeschoß und dem Betraum im Obergeschoß auf die Bedürfnisse der Glaubensgemeinschaft zugeschnitten. Infolge der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stark abnehmenden Zahl der Gemeindemitglieder ging die Synagoge um 1900 in nichtjüdischen Besitz über, verbunden mit weitreichenden baulichen Veränderungen – ein Phänomen, das auch andere jüdische Landgemeinden in jener Zeit betraf. Mitte des 19. Jahrhunderts setzte durch die Aufhebung der Niederlassungsbeschränkung nämlich eine Abwanderung von Juden aus den Dörfern in die Städte ein. Die Allersheimer jüdische Gemeinde umfaßte um 1800 noch circa 100 Personen, um 1900 waren es unter zehn. Von ihrem Umzug in die Städte erhofften sich die meisten bessere Verdienst- und Lebensmöglichkeiten. Der Allersheimer Neubesitzer richtete in dem ehemaligen Betraum Wohnstube und Kammer ein und entfernte deshalb auch das Holztonnengewölbe, das den Bet­raum überspannte. Doch ist beim Umbau ein Teil der alten Deckenbretter wiederverwendet worden, so daß das Holztonnengewölbe bestens rekonstruierbar war.

Da im Freilandmuseum die jüdische Geschichte des Hauses und die Synagogennutzung im Vordergrund stehen sollen, wurde neben dem Holztonnengewölbe auch die übrige Ausstattung des Betraums weitgehend rekonstruiert. Eine im Gebäude eingerichtete Dauerausstellung spürt außerdem anhand ausgewählter Biographien der Geschichte der jüdischen Geschichte Allersheims und deren Rabbiner nach. Die Mikwe und das rituelle Tauchbaden, das Leben und Wirken von Rabbinern auf dem Land oder die jüdischen Speisevorschriften und ihre Bedeutung für das Alltagsleben sind weitere Themen der Ausstellung. „Gut Schabbes!“, jiddisch für „Guten Schabbat!“, wird es in der Stube heißen, die die Ausstattung jüdischer Haushalte wie etwa eine Schabbat-Lampe behandelt. Doch ist auch der Umbau zum Bauernhaus bei der musealen Präsentation nicht ganz außer acht zu lassen, zumal um 1900 Umnutzungen von ehemaligen Synagogengebäuden in Franken nicht selten waren.

Zum Zeitpunkt des Abbaus durch das Freilandmuseum vor rund zehn Jahren befand sich die Synagoge in einem ruinösen Zustand.
Zum Zeitpunkt des Abbaus durch das Freilandmuseum vor rund zehn Jahren
befand sich die Synagoge in einem ruinösen Zustand.

Das Wiederaufbaukonzept erfolgte unter Beteiligung eines Gremiums aus Fachleuten. Dazu gehören unter anderem Martina Edelmann (Jüdisches Kulturmuseum Veitshöchheim), Daniela Eisenstein (Jüdisches Museum Franken), Hans-Christof Haas (Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege), Christina Hahn (Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern), Bernhard Purin (Jüdisches Museum München) sowie Claudia Selheim (Germanisches Nationalmuseum Nürnberg).

Am alten Standort der Synagoge in Allersheim erinnert heute noch ein jüdischer Friedhof an die Geschichte der dortigen jüdischen Gemeinde. Wer die Wartezeit zur Eröffnung der Synagoge im Freilandmuseum überbrücken möchte, kann vorab bei den beiden Blogs auf der Museumswebsite vorbeischauen. Hier gibt es Biographien von ehemaligen jüdischen Gemeindemitgliedern oder Einblicke hinter den Bauzaun.

Im ländlichen Raum konnten Synagogen schlichte Gebäude sein, von außen waren sie oft kaum als solche zu erkennen.
Im ländlichen Raum konnten Synagogen schlichte Gebäude sein, von außen waren sie oft kaum als solche zu erkennen.

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