Ausgabe März / April 2025 | Wissenschaft

Kältewellen im Regenwald … und was sie für Wildtiere bedeuten

Im Regenwald des Amazonas ist es nicht immer mollig warm: Kältewellen können die Temperaturen dort drastisch sinken ­lassen. Forschende der Universität Würzburg haben untersucht, wie Tiere ­darauf reagieren.

Text: Robert Emmerich | Fotos: Kim Lea Holzmann / Universität Würzburg

Wer im tropischen Regenwald forscht, hat nicht unbedingt eine Winterjacke und warme Sokken dabei. Schließlich gilt diese Weltregion als durchgehend angenehm temperiert. Dem ist aber nicht so, wie Kim Lea Holzmann und Pedro Alonso-Alonso am eigenen Leib erfahren haben. Beide machen ihre Doktorarbeit am Biozentrum der Universität Würzburg, beide hielten sich fast das ganze Jahr 2023 für Biodiversitätsstudien im Amazonasgebiet im Süden Perus auf.

Es passierte am 13. Juni: Eine Kältewelle ließ die Temperaturen von im Mittel 23,9 auf 10,5 Grad Celsius abstürzen. Die kühle Periode dauerte fast eine Woche. „Wir hatten ein Jahr zuvor schon einmal erlebt, daß es an einem Tag nur 18 Grad hatte“, erzählt Kim Lea Holzmann. Aber eine so starke und langanhaltende Kälte kam ihnen komisch vor. Die einheimischen Feldassistenten dagegen wunderten sich nicht wirklich. Sie erklärten dem Würzburger Team, daß mehrtägige Kälteeinbrüche am Amazonas gar nicht so selten sind.

Der handtellergroße Dungkäfer Coprophanaeus lancifer, der gegenüber niedrigen Temperaturen empfindlich zu sein scheint.
Der handtellergroße Dungkäfer Coprophanaeus lancifer, der gegenüber niedrigen Temperaturen empfindlich zu sein scheint.

Die Große Bananenspinne Phoneutria boliviensis, die ebenfalls so groß wie ein Handteller wird. Die Spinne ist nachts häufig zu sehen, doch in der Kältewelle ließ sie sich nicht blicken.
Die Große Bananenspinne Phoneutria boliviensis, die ebenfalls so groß wie ein Handteller wird. Die Spinne ist nachts häufig zu sehen, doch in der Kältewelle ließ sie sich nicht blicken.

Erste Studie über Kältewellen und Wildtiere

Das Forschungsteam beschloß spontan, die Gunst der Stunde zu nutzen: Wie würde die Tierwelt auf die Kältewelle reagieren? Das war nun die Forschungsfrage. „Es gab bislang nur Untersuchungen dar­über, wie Kältewellen die Landwirtschaft im Amazonasgebiet treffen. Wie sie sich auf wildlebende Tiergemeinschaften im Tiefland des Amazonas auswirken, dazu haben nun wir die erste Studie überhaupt vorgelegt“, sagt die Doktorandin. Die Ergebnisse sind im Journal Biology Letters veröffentlicht.

Fazit: Alles in allem scheinen die untersuchten Insekten und Säugetiere den Kälteeinbruch gut verkraftet zu haben – mit einer Ausnahme bei den Insekten. Zudem war bei einem Viertel der betrachteten Insekten die Kältetoleranz mit den gemessenen Niedrigtemperaturen fast ausgereizt. Gewisse Arten könnten Probleme bekommen, sollten die Kältewellen künftig noch heftiger ausfallen. Im Zuge des Klimawandels ist das durchaus denkbar.

Für die Untersuchung konnte das Forschungsteam auf Daten zurückgreifen, die es schon 2022 für seine Biodiversitätsstudien erhoben hatte.

Die Studie zur Kältewelle fand rund um die Forschungsstation „Los Amigos“ im peruanischen Amazonas-Tiefland statt. Man erreicht die Station nach einer 14stündigen Bootsfahrt auf dem Fluß Madre de Dios.
Die Studie zur Kältewelle fand rund um die Forschungsstation „Los Amigos“ im peruanischen Amazonas-Tiefland statt. Man erreicht die Station nach einer 14stündigen Bootsfahrt auf dem Fluß Madre de Dios.

Insekten und Säugetiere im Fokus

Mit verschiedenen Insektenfallen hatte es die Biomasse von fliegenden und am Boden lebenden Insekten erfaßt. Mit zwölf Kamerafallen war zudem die Aktivität von Jaguaren, Tapiren, Nabelschweinen und anderen wildlebenden Säugetieren dokumentiert worden. All diese Daten sammelten die Forschenden dann erneut im Lauf der Kältewelle und noch einmal einige Monate nach deren Ende.

In der Kältewelle gingen die Biomasse und die Aktivität aller Insekten stark zurück. In den Monaten danach trat aber eine komplette Erholung ein. Nur bei der Gruppe der Dungkäfer blieb die Biomasse gering. Sie sind offenbar kältesensibler als andere Insektengruppen.

Die Forschenden ermittelten außerdem die Kältetoleranz verschiedener Insekten, indem sie diese in einem Thermostaten bis zur Kältestarre abkühlten. Dabei zeigte sich, daß die meisten Insekten noch tiefere Temperaturen überstehen, als sie im Juni 2023 auftraten. Für 25 Prozent der betrachteten Insektenarten trifft das aber nicht zu: „Sie fallen schon in eine Kältestarre, wenn die Temperatur nur 0,62 Grad Celsius unter den gemessenen 10,5 Grad liegt“, sagt Pedro Alonso-Alonso. In der Kältestarre sind Insekten komplett unbeweglich – hält dieser Zustand länger an, dürfte er sich nach Einschätzung der Forschenden negativ auf die Überlebensfähigkeit auswirken.

Diese Säugetiere hat das Würzburger Forschungsteam im südperuanischen Regenwald mit Kamerafallen fotografiert: ein Jaguar und ein Aguti.
Diese Säugetiere hat das Würzburger Forschungsteam im südperuanischen Regenwald mit Kamerafallen fotografiert: ein Jaguar und ein Aguti.

Kälte sorgte für ungewöhnliche Ruhe im Regenwald

Auch Säugetiere tauchten in der Kälte nicht so oft vor den Kamerafallen auf. Anders als Insekten können sie ihre Körpertemperatur konstant halten. „Um das zu schaffen, brauchen sie in der Kältephase mehr Energie, die sie vermutlich durch verringerte körperliche Aktivität wieder einsparen“, sagt Kim Lea Holzmann.

Nach der Kältewelle kehrten die beobachteten Säugetiere zu ihren gewohnten Abläufen zurück. „Daten über Vögel, Reptilien und Amphibien haben wir zwar nicht erhoben, aber unseren subjektiven Beobachtungen nach waren auch diese Tiergruppen weniger aktiv als sonst. Während der Kältewelle herrschte im Regenwald eine ungewohnte Ruhe.“

Publikation
Cold waves in the Amazon rainforest and their ecological impact.
Biology Letters, 22. Januar 2025,
DOI: 10.1098/rsbl.2024.0591

Kontakt
Kim Lea Holzmann, Lehrstuhl für Zoologie III (Tieröko­logie und ­Tropenbiologie), ­Biozentrum, Universität Würzburg, 
Website Kim Lea Holzmann: https://kimleaholzmann.wordpress.com/

Weitere Zeitschriften vom Verlag Kendl & Weissbach Publikationen

Franken-Magazin

Das Franken-Magazin ist eine unabhängige Zeitschrift – ein Regionalmagazin, das alle 2 Monate erscheint und die mehrseitige Reportage zum Mittelpunkt seines Inhalts erklärt. Das Franken-Magazin zeigt Land und Leute liebevoll von ihrer interessantesten Seite.

Franken-Magazin - Ausgabe 03-04 2023

Abonnement / Shop

Das Franken-Magazin finden Sie im Zeitschriftenhandel. Sie können die Artikel hier online lesen oder Sie schließen ein Abo ab und erhalten es immer frisch gedruckt direkt in den Briefkasten. Einzelhefte können Sie ebenfalls direkt im Shop nachbestellen.

Nach oben