Ausgabe März / April 2025 | Gesellschaft

Was den Franken gerade wichtig ist – 3

Aus allen Bereichen der Gesellschaft, von der Politik über die Wirtschaft, Religion, Medien, Kultur, Verwaltung, Dienstlei­stung, Arbeit oder ganz lapidar aus der Privatsphäre – wir wollen wissen, was Persönlichkeiten aus Franken gegenwärtig am meisten bewegt, was ihnen Mut macht oder gar schier verzweifeln läßt. Unsere neue Serie ist anspruchsvoll. Wir freuen uns darauf!

Text + Fotos: Wolf-Dietrich Weissbach

Es sind aufwühlende Zeiten, international, national, regional und auch lokal. Die Welt scheint überall in Aufruhr. Gibt es auch Anker? Woran kann man sich halten? Auf der Suche nach Orientierung und vielleicht auch Rettung befragen wir, beginnend mit unserer Ausgabe Januar/Februar 2025, das ganze Jahr über jeweils fünf bis zehn Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Aus allen Bereichen der Gesellschaft, angefangen in der Politik über die Wirtschaft, Religion, Medien, Kultur, Verwaltung, Dienstleistung, Arbeit oder ganz lapidar aus der Privatsphäre – wir wollen wissen, was sie gegenwärtig am meisten bewegt oder auch woran sie sich festhalten, was ihnen Mut macht oder gar schier verzweifeln läßt.

Was sie bewegt

Unsere Auswahl ist natürlich nicht repräsentativ und bedient auch keine Rangfolge nach dem Motto, der oder die Schönste, Größte, Wichtigste zuerst. Ob und was dabei herauskommt, ob das gelingt, was wir uns ganz vage erhoffen … wir haben keine Ahnung. Wie wäre es, wenn zumindest ansatzweise ein Regulativ, ein Korrektiv unserer Medienwelt, die zeitweise unerträglich zu werden scheint, oder überhaupt unseres Zusammenlebens, in dem wir viel zu oft nur noch Gegeneinander sind, bis hin zum Streit, ganz unten durchscheinen könnte? Und ganz nebenbei lernen wir und Sie, unsere Leserinnen und Leser, vielleicht Persönlichkeiten kennen, von denen Sie noch nie etwas gehört haben. Dabei haben wir schon gemerkt: Unsere Serie ist sogar logistisch anspruchsvoll. Wir freuen uns darauf!

Fanny Schmidt-Steingraeber,
Geschäftsführende Inhaberin der Klavier­manufaktur Steingraeber & Söhne, Bayreuth

Fanny Schmidt-Steingraeber, Geschäftsführende Inhaberin der Klavier­manufaktur Steingraeber & Söhne, BayreuthDie Welt ist ja irgendwie rau geworden – als Klavierfabrikantin könnte man auch sagen „irgendwie unmusikalisch“, auch wenn ich weiß, daß das nicht stimmt! Beweis? Quasi kürzlich, in der Corona-Zeit, da tauchten plötzlich überall Musikgenies auf, und noch mehr Musikbegeisterte – das hat mir gezeigt, daß in absoluten Krisensituationen Musik für viele (über-)lebensnotwendig ist und Musikmachen ein Lebenselixier für einen Großteil der Menschheit. Ich empfand das als die bisher wichtigste Bestätigung unserer Arbeit – zumindest in meiner jungen Laufbahn als 27jährige Chefin einer der letzten traditionellen Klaviermanufakturen der Welt.

Mehr und mehr kristallisiert sich bei meinem Job ein neuer Aspekt heraus: geht es um mehr, als „nur“ perfekte Pianos und Flügel von unseren Klavierbauern kreieren zu lassen – wir tragen auch zur Teilhabe am erfüllten – also musikalischen – Leben bei. So begannen wir eine ungewöhnliche Kategorie, die nur in handwerklicher Manufakturarbeit möglich ist:

„RESPECTFUL PIANOS“ ist ihr Name. Dieser neue Aspekt von Partizipation macht mir besonders viel Freude: Klavierspielen als medizinische Therapie in der Neurologie. Wir rüsteten ganz normale Klaviere mit Elektronik auf, die Probanden „bespielen“ die Klaviatur ohne Vorkenntnisse und trotzdem erklingen ­immer richtige Stücke aus dem Klavier! Wohlgemerkt: im Rhythmus der Spielenden.

Es geht aber auch viel einfacher: Schmale Tasten beenden die Benachteiligung (und die Sehnenscheidenentzündung!) vieler Klavierspielenden mit kleineren Händen, Fahrradhelm-Steuerungen der Pedale machen für Rollstuhlfahrer die gesamte Klavierliteratur zugänglich … und es geht noch einfacher Freude zu bereiten: mit Holzkunst, mit individuellen Klangeinstellungen, maßgeschneiderten Spielwerken und – Königsklasse! – den Bau perfekter Konzertsaalinstrumente für die Profis.

Nun noch sechs (oder acht?) „echte“ Klaviermanufakturen im traditionellen Sinn gibt es auf der Welt – zu diesem exklusiven Club gehören zu dürfen macht mich schon stolz (hauptsächlich auf das Können unserer Klavierbauerinnen und Klavierbauer die noch echte Meister ihres Fachs sind); die tiefe Befriedigung an meiner Arbeit empfinde ich aber durch unseren positiven Beitrag zum Alltag der Menschen: Musikmachen steigert die Freude am Leben – und beim Klavier geht Musik machen am einfachsten, mit dem „Spaziergang auf den Tasten“ zum kleinen Urlaub vom Alltag.

Mein Tipp: Hören Sie Nachrichten nur noch alle zwei Tage … an den Tagen dazwischen haben Sie dann Zeit zum Klavierspielen.

Stefan Funk,
Bezirkstagspräsident von Unterfranken

Stefan Funk, Bezirkstagspräsident von UnterfrankenWas läßt sich zur weltweiten Entwicklung sagen? Kein Zweifel: die Lage ist ernst! Wie Schockwellen laufen die Nachrichten von Kriegen, Klimaschäden und anderen Katastrophen rund um den Globus. Jetzt steckt auch noch die Bundesrepublik in einer handfesten Wirtschaftskrise. In unserer Region spürt man die Folgen dieser ökonomischen Talfahrt nicht zuletzt in Form von Stellenabbau und Werksschließungen. Da müssen einem die Absurditäten, die derzeit aus ­Washington kommen, wie ein weiterer Schlag in die Magengrube erscheinen.

Es steht also viel auf dem Spiel – auch unser Wohlstand und der soziale Frieden. Schließlich engt die schwächelnde Konjunktur die finanziellen Möglichkeiten der Kommunen ein. Da macht der Bezirk Unterfranken keine Ausnahme. Nach den zurückliegenden guten Jahren müssen wir uns neu sortieren. Munter weitermachen und wie aus einem Füllhorn Wohltaten verteilen, können wir uns nicht mehr leisten. Die Jahre im Überfluß sind vorläufig vorbei.

Momentan geht es uns allen wie einem Fahranfänger im Kreisverkehr. Wir kucken nach rechts und links und versuchen ohne Blechschaden die richtige Spur zu finden. Auf die Wirklichkeit übertragen, heißt das: wir müssen uns aus der Komfortzone hinauswagen, in der wir es uns so lange Zeit gemütlich gemacht hatten.

Aber man kann die momentane Krise auch als Chance begreifen. Dabei kommt es auf den Schulterschluß innerhalb der kommunalen Familie an und auf eine wohl durchdachte Förderung der regionalen Wirtschaft. Wir müssen überfällige Innovationen mutig angehen und kluge Reformen einleiten. Gerade was die Rahmenbedingungen für Unternehmerinnen und Unternehmer angeht, sind Verbesserungen dringend geboten. Auch im Sozialbereich müssen wir uns darüber klar werden, was finanziell machbar und was sachlich sinnvoll ist. Im Grunde genommen ist uns allen dieser Sachverhalt klar. Jeder weiß, daß wir um die eine oder andere Flurbereinigung im sozialen oder ökonomischen Bereich nicht herumkommen werden. Eng damit verbunden ist ein beherzter Bürokratieabbau. Mit einem Übermaß an Vorschriften und überflüssigen Regelungen stehen wir uns immer wieder selbst im Wege.

Zum Glück sind wir im Bezirk Unterfranken recht gut aufgestellt. Das drückt sich nicht zuletzt in unserem Hebesatz aus, mit dem Städte und Landkreise an den Bezirksausgaben beteiligt werden. So betrug die Umlage im vergangenen Jahr 18,3 Prozent – und das bei einem Gesamtetat von mehr als einer Milliarde Euro. Jetzt zeigt sich, wie gut es zum Beispiel war, daß der Bezirk seine Krankenhäuser nie privatisiert hat. Alle unsere Einrichtungen befinden sich in Eigenregie. Dank unserer Kulturstiftung können wir den unterfränkischen Künstlerinnen und Künstlern auch in diesem Jahr mit rund 8,5 Millionen Euro unter die Arme greifen. Wir fördern unsere Kultur trotz knapper Kassen!

Für die nächste Zukunft haben wir uns vorgenommen, die Entbürokratisierung weiter voranzubringen. Wir wollen das wirtschaftliche Wachstum in unserer Region mit einer schlanken Verwaltung unterstützen. Denn eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik ist immer noch die beste Sozialpolitik. Vor diesem Hintergrund blicke ich voll Optimismus in die Zukunft.

Markus Mergenthaler,
Leiter des Knauf-Museums in Iphofen

Markus Mergenthaler, Leiter des Knauf-Museums in IphofenSeit 1997 bin ich im Knauf-Museum Iphofen tagtäglich von der faszinierenden Welt umgeben, die Geschichte, Kreativität und Menschlichkeit vereint. Doch was mich wirklich bewegt, ist die Frage, wie wir in der Museumsarbeit neue Wege schaffen können, die Kunst und Kultur greifbarer, relevanter und inklusiver für alle machen.

Mir ist es wichtig, daß unser Museum als eine Brükke zwischen Tradition und Innovation, Vergangenheit und Gegenwart, lokaler Verwurzelung und globalem Denken wahrgenommen wird. Und ich stelle mir immer wieder die Frage: Was kann Museumsarbeit heutzutage leisten?

In den letzten 20 Jahren hat sich das Besucheraufkommen in Museen und Ausstellungen stark verändert. Einerseits erfuhren Museen bis Mitte der 2010er Jahre einen Anstieg an Besucherzahlen: prestigeträchtige Sonderausstellungen, verbesserte Zugänglichkeit, ein wachsendes Interesse an kultureller Bildung und die Globalisierung des Tourismus führten zu höheren Besucherströmen. Spektakuläre Ausstellungskonzepte zogen ein breites Publikum an. Parallel dazu wirkten sich digitale Entwicklungen aus. Die Verbreitung von Smartphones und sozialen Medien veränderte die Erwartungen der Besucher. Museen reagierten, indem sie ihre Inhalte digitalisierten, virtuelle Rundgänge anboten und interaktive Ausstellungen entwickelten. Die COVID-19-Pandemie brachte jedoch einen Wendepunkt: Museen mußten wochenlang schließen, was zu einem starken Rückgang der Besucherzahlen und wirtschaftlichen Einbrüchen führte. Seither kämpfen viele Häuser darum, das Publikum zurückzugewinnen, insbesondere ältere Generationen und Touristen. Bis heute ist das Besucheraufkommen unbeständig und abhängig von Themen, Standorten und neuen Formaten.

Eine meiner momentan größten persönlichen Herausforderungen in der Museumsarbeit ist es, junge Menschen für unsere Inhalte zu begeistern. Meine Überzeugung lautet: Kunst und Kultur müssen erlebbar sein. Ich hoffe, daß wir es schaffen, ein Programm zu entwickeln, das die jüngeren Generationen nicht nur erreicht, sondern auch begeistert. Das Ziel ist es, nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern auch einen Raum für Kreativität und Eigeninitiative zu schaffen, durch Ausstellungen, die sich ihrer Relevanz in der Gegenwart bewußt sind, aber auch durch innovative Vermittlungsmethoden, die Neugier wecken.

Die Zusammenarbeit mit anderen Kulturschaffenden sehe ich als eine weitere große Bereicherung. Leider ist diese durch eine übertriebene Bürokratie und selbst auferlegte Vorschriften nur noch in einzelnen Fällen möglich. Gerade in einer kleinen Stadt wie Iphofen ist es wichtig, daß wir uns nicht abschotten, sondern mit regionalen, nationalen und internationalen Partnern Synergien schaffen. Das Museum soll ein Ort sein, der Menschen zusammenbringt – unabhängig von Alter, Herkunft oder Bildung. Wir müssen sichtbar bleiben und in der Gemeinschaft eine Rolle spielen. Kunst und Kultur sind für mich nicht nur Spiegel der Vergangenheit, sie sind auch Werkzeuge für die Zukunft. In einer sich schnell wandelnden Welt wünsche ich mir, daß Museen Orte der Reflexion und Begegnung bleiben.

Hubert Schwarz,
Extremsportler und Unternehmer

Hubert Schwarz, Extremsportler und UnternehmerAls Extremsportler habe ich die Erde zweimal nonstop umradelt, den australischen Kontinent in Rekordzeit bei Bruthitze umrundet, Amerika 9 x durchquert und im tiefsten Winter von Alaska das Winter Bicycle Classic gefinished. Ich war bereit Risiken einzugehen, habe meine Komfortzone vielfach verlassen und erfahren, daß das Leben voller Möglichkeiten besteht. Die vielen Begegnungen mit unterschiedlichsten Menschen inspirierten, unterstützten und lehrten mich, daß Durchhaltevermögen, Leidenschaft und der Mut, das Unbekannte zu erkunden, zu persönlichem Wachstum führen.

In der Wüste Taklamakan in China lernte ich ein amerikanisches Ärzte Ehepaar kennen. Sie operierten völlig uneigennützig erblindete Menschen und halfen ihr Augenlicht wieder zu erlangen, in Brasilien führte mich ein Missionar zu Kaingang Indianern, so bekam ich einen Eindruck, wie die Menschen im tiefstem Outback dort leben. Unser Guide in Peru erklärte unverblümt, die Regierung will die Menschen „dumm“ halten, denn ungebildete Menschen kann man leichter manipulieren. In Vietnam besuchte ich das Dorf der Freundschaft mit gengeschädigten Menschen, weil die USA im Vietnamkrieg bei der Aktion Agent Orange durch die Verwendung eines chemischen Entlaubungsgiftes verheerende Natur-, Umwelt und Gesundheitsschäden verursachten. Noch heute werden mißgebil­dete Babys geboren.

All diese Begegnungen, das Kennenlernen verschiedener Kulturen, Menschen, Länder und Lebensweisheiten trugen zu meiner Entschlossenheit bei, selbst aktiv zu werden.

Meine Frau Renate und ich haben uns deshalb vor vielen Jahren entschieden eine Stiftung zu gründen, mit dem Ziel jungen Menschen zu helfen, ihnen Bildung zu ermöglichen und damit unseren Beitrag zu leisten die Welt ein ganz klein wenig zu verbessern. Denn Bildung ist der Schlüssel für Weiterentwicklung!

Ich wünsche mir, daß jeder seinen eigenen Antrieb entdeckt, um seine Träume und Visionen mit Leidenschaft und Mut umzusetzen. Gerade Träume sind wichtig, weil sie jenen Funken in sich tragen, der Leidenschaft entfachen kann. Der Mensch schafft weit mehr, als er denkt. Für das, wofür unser Herz brennt, sind wir auch bereit uns weit mehr zu engagieren.

Birgit Simmler,
Künstlerische Theaterleiterin der
Luisenburg-Festspiele Wunsiedel

Birgit Simmler, Künstlerische Theaterleiterin der Luisenburg-Festspiele Wunsiedel„Jeder soll auf seine Façon selig werden.“ Das wußte Friedrich II., der Große. Der Staat ist dazu da, seinen Einwohnerinnen und Einwohnern zu helfen. Diese unterstützen ihn dabei mit Steuern und erhalten so Hilfe, wenn sie sie benötigen, was hoffentlich nicht zu oft ist. Jede und jeder bleibt für sein eigenes Leben verantwortlich. „Die da oben“ sind nicht verantwortlich für mein Glück und mein Fortkommen. Dafür gibt es Familie und Freunde, Personen, denen ich wichtig bin. Ich möchte mündig sein und als mündig behandelt werden.

Dem Preußenkönig war jedes Dogma verhaßt. Einer anderen Person die eigenen Überzeugungen aufzuzwingen ist unethisch. Unmoralisch. Unchristlich. Solange eine Person niemanden anderen grausam verletzt, sollte es dem Staat und auch der Gemeinschaft egal sein, was sie glaubt, spricht, mit wem sie sich trifft, mit wem sie auf welche Art ihre Liebe und ihre Lust ausübt. Auf dieser Toleranz fußt Freiheit.

Das Andere war stets Anlaß von Auseinandersetzung, im Kurzschluß von Angst. Das Andere zwingt uns, den eigenen Ort im Leben zu überdenken. Man mag dabei zu dem Schluß kommen, daß man gar nicht so individualistisch ist, wie man denkt, sondern geprägt von Jahrhunderte alten Traditionen eines Ortes, von Herkunft, Erziehung, Sozialisation, von philosophischen Vorstellungen, die lange vor uns andere Menschen durchgesetzt haben. Und zu dem Schluß, daß andere Arten zu leben und zu denken denselben Wert haben wie die eigene Façon. Zumindest für andere denselben Wert haben, wenn schon für uns nicht. Und das ist okay. Solange Andere oder ich selbst nicht gewalttätig werden und das Eigene dem Gegenüber aufzwingen wollen. Warum Angst haben? „Angst essen Seele auf“ (Filmtitel von Werner Rainer Fassbinder, 1974). Neugier war immer eine mindestens ebenso stark treibende Kraft in der menschlichen Geschichte.

Für mich ist Toleranz der Kern des Christlichen. Und der Kern der Aufklärung. Der Rationalität. Alles andere ist usurpatorisch.

Im Theater treffen wir auf das Andere und lernen, es über unsere Gefühle zu erfassen und zu verstehen. In einem geschützten Raum üben wir Einfühlung. Charaktere, die uns fremd sind, anders, erfüllen die Bühne und unterhalten und berühren uns mit ihren Geschichten und Überzeugungen.

Den kulturpolitischen Wert dieser Auseinandersetzung kannten schon die alten Griechen. Theater war ein wichtiger Teil der Debattenkultur der attischen Polis. Darum tue ich, was ich tue, und ich liebe, was ich tue. Für mich ist es eine sinnhafte Erfahrung, und die Künstlerinnen und Künstler sind emotionsbegabte Medien zur Vermittlung des Anderen. Oft aber nicht immer stehen sie selbst außerhalb der Norm und haben sich damit auseinandergesetzt, was dies bedeutet – weniger im philosophischen Denken, als im persönlichen Fühlen.

Es lebe die Toleranz und die Neugier!

Dr. Christa Standecker,
Geschäftsführerin der Europäischen Metropol­region Nürnberg

Dr. Christa Standecker, Geschäftsführerin der Europäischen Metropol­region NürnbergMir ist wichtig, daß Dinge zusammengedacht werden. Stadt und Land zum Beispiel. In unseren ­Köpfen sind Stadt und Land Gegensätze. Sie unterscheiden sich prinzipiell voneinander. Sie haben unterschied­liche Her­ausforderungen zu bewältigen. Sie bieten unterschiedliche Lebensstile. Sie werden unterschiedlich bewertet in Hinblick auf ihre Zukunfts­fähigkeit. Land ist Tradition. Stadt ist Zukunft. In der Realität sind sie aber mannigfaltig ineinander verflochten. Stadt kann nicht ohne Land, und Land nicht ohne Stadt existieren.

Erstes Beispiel:
Täglich pendeln nach Nürnberg ca. 135 000 Menschen aus den umliegenden Landkreisen ein, um in der Stadt zu arbeiten. Sie verdienen ihren Lebensunterhalt in der Stadt.

Sie fahren Straßenbahnen und Busse, forschen und lehren in Hochschulen, sie bauen Gebäude, schneiden Haare, kochen in Restaurants, arbeiten in Banken und Unternehmen – kurz: sie halten Nürnberg am Laufen. Rund 60 000 Menschen pendeln übrigens auch aus der Stadt in die Landkreise aus, um dort zu arbeiten. Tendenz steigend.

Zweites Beispiel:
Täglich entstehen neue Photovoltaik- und Windkraftanlagen auf dem Land. Dort wird mehr Strom erzeugt als das Land braucht. Die Städte müssen in der Zukunft mitversorgt werden. Sie haben zu wenig freie Flächen. Früher war es umgekehrt, die Städte haben ländliche Räume durch große Kraftwerke mitversorgt.

Drittes Beispiel:
Am Wochenende fahren Stadtbewohner aufs Land, um Natur und regionale Spezialitäten zu genießen. Die Freizeitverkehre in die nahe Umgebung wachsen stetig. Fernweh ganz nah! Für das Land bedeuten sie Einkommen, für die Stadtbewohner Lebensqualität.

Stadt und Land sind komplementär. Sie haben unterschiedliche Stärken. Sie funktionieren nur zusammen, bedingen und stärken sich gegenseitig. Mir ist wichtig, daß Stadt und Land auf Augen­höhe zusammenarbeiten. Wenn Stadt und Land zusammenwachsen, entsteht Wohlstand. Wenn Stadt und Land zusammenarbeiten, entsteht eine nachhaltige Region. Nachhaltige Regionen sind die Sicherheitsarchitektur der Globalisierung.

Einen Hinweis erlaube ich mir noch. In diesem ­Jahre bieten wir: „Futur II – Mobilität 2050 in der Metropolregion Nürnberg – Wie wir es geschafft haben werden!“, so lautet der Titel einer Pop-up-Ausstellung, die aktuell durch die Metropolregion reist: Im vergangenen Jahr vom Zukunftsmuseum in Nürnberg, nach Amberg, dann Bamberg, im Januar/Februar 2025 in das Kulturforum Ansbach, dann folgt Coburg, den Schlusspunkt setzt im Sommer das Porzellanikon in Selb.

Die interaktive Wanderausstellung „Futur II“ ist ein Kooperationsprojekt des Deutschen Museums Nürnberg und des Projektes transform_EMN, das die Automobilzulieferindustrie in der Metropolregion in der Transformation unterstützt.

„Futur II“ nimmt die Besucherinnen und Besucher mit auf eine Zeitreise: Durch einen Zeittunnel gelangen sie in einen futuristischen Transitraum und weiter in das Jahr 2050. In drei Themenräumen berichten KI-generierte Future-Communicators von den gemei­sterten Herausforderungen und dem Leben in dieser neuen Ära.

Ich verspreche Ihnen, die Ausstellung lohnt sich.

Dr. Thomas Jung,
Oberbürgermeister der Stadt Fürth

Dr. Thomas Jung, Oberbürgermeister der Stadt FürthFürth ist meine Heimatstadt. Ich bin sehr dankbar, daß ich hier seit mittlerweile über 22 Jahren als Oberbürgermeister arbeiten und die Entwicklung dieser schönen Stadt aktiv mitgestalten kann. Fürth hat das „Graue Maus-Image“, das ihr lange nachgesagt wurde, längst abstreifen können. Die Kleeblattstadt ist bunt, ist grün, ist vielschichtig und lebenswert.

Wir zählen über 132 000 Einwohner aus über 140 Nationen. Unsere Innenstadt, die jahrelang unter keinem guten Stern stand, ist wieder ein attraktiver Treffpunkt für die unterschiedlichsten Interessen – schöne Geschäfte, ein gut frequentiertes Einkaufszentrum, viel abwechslungsreiche Gastronomie, ein überaus beliebter Wochenmarkt und Feste, die Kultur und Unterhaltung zum Nulltarif bieten.

In Fürth haben immer noch kleine Betriebe und Geschäfte eine Chance, es bilden sich erfolgreich Nischen in allen möglichen gesellschaftlichen Bereichen, aber auch die großen, familiengeführten Unternehmen wie uvex, Kurz, Norma, Simba Toys, Spielwaren-Bruder sind stabil unterwegs und bieten sichere Arbeitsplätze. Seit dem desaströsen Niedergang des Versandhauses Quelle vor 15 Jahren hat sich die Fürther Wirtschaft erfolgreich entwickelt; die sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen stiegen in diesem Zeitraum von 38 000 auf 52 000. Auch die Zahl der Erwerbslosen stagniert konstant auf einem erfreulich niedrigen Niveau.

Dank der damit auch einhergehenden guten Haushaltslage können wir in wichtige Projekte für die Gegenwart und Zukunft unserer Stadt investieren: Wir sanieren bzw. errichten zwei große Gymnasien, bieten jedem Kind in Fürth einen Betreuungsplatz, bauen die regenerativen Energien – besonders im Bereich Photovoltaik – aus, wir erneuern die Infrastruktur im Radwege- und Straßenbau, wir sanieren Deutschlands größtes Rundfunkmuseum, errichten eine neue Obdachlosenunterkunft, stellen große Summen für neue Sportstätten zu Verfügung und können, entgegen der Spielräume vieler anderer Städte und Gemeinden in Deutschland, auch unsere Kulturstätten wie das Stadttheater oder die freie Szene in gewohntem Umfang unterstützen.

Dies alles sind keine Selbstläufer. Hinter jeder Maßnahme, jedem Projekt stecken viele Ideen, Überlegungen, harte Arbeit und auch ein wenig glückliche Umstände. Ich bin sehr dankbar, daß die Zusammenarbeit sowohl im Stadtrat als auch in der Verwaltung sehr gut funktioniert, daß die Abstimmung vor allem bei den großen und teuren Vorhaben von Konsens und Pragmatismus geprägt ist. Dazu kommt ein ebenfalls nicht alltäglicher gesellschaftlicher Zusammenhalt in dieser Stadt, der viele Entscheidungen erleichtert und mitträgt.

Ich kann für mich daher nur festhalten: Ich schätze das Leben und Arbeiten inmitten von 2000 Baudenkmälern, in schätze das Gefühl, von jedem Ort in Fürth innerhalb von höchstens zehn Minuten direkt im Grünen zu sein, ich schätze die vielen unterschiedlichen Möglichkeiten, etwas für diese Stadt bewegen zu können, ich schätze die unzähligen Begegnungen, die vielfältigsten Anliegen und vor allem schätze ich die Menschen, die hier leben.

Volkmar Halbleib,
Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag

Volkmar Halbleib, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Bayerischen LandtagWas für mich am wichtigsten ist: Vertrauen und Zuversicht!
Wir befinden uns nicht nur in Deutschland in einer Phase spürbarer Verunsicherung. Globale Krisen wie der Klimawandel, geopolitische Konflikte und die weltweite Digitalisierung treffen auf innergesellschaftliche Herausforderungen wie demographische Veränderungen, soziale Ungleichheit, Kulturkämpfe und den Verlust des Vertrauens in politische Institutionen. Die politische Debatte ist zunehmend von Mißtrauen geprägt, wodurch die Fähigkeit, konstruktive Lösungen zu finden, gelähmt wird. Viele Menschen haben das Gefühl, ihre Anliegen würden nicht gehört, und wenden sich entweder populistischen Bewegungen zu oder resignieren.

Die Frage, die mich am meisten umtreibt und deren Beantwortung mir am wichtigsten ist: Wie können Politik und Gesellschaft dieses Vertrauen wiederherstellen und Zuversicht schaffen?

Meine drei Impulse:
1. Die Balance zwischen Streit und Konsens wieder finden!
In einer pluralistischen Gesellschaft ist Streit unverzichtbar. Er ist der Motor, der Ideen hinterfragt, Innovationen anstößt und die Demokratie lebendig hält. Doch ohne das Ziel eines tragfähigen Konsenses bleibt der Konflikt destruktiv. Heute erleben wir oft eine Polarisierung, die aus Streit keinen Fortschritt, sondern Stillstand macht. Das wichtigste Ziel muß daher sein, Lösungen zu erarbeiten, die von einer breiten Mehrheit getragen werden können.

2. Reale Begegnungen statt virtueller Welt!
Die Digitalisierung hat unsere Kommunikation grundlegend verändert. Zwar bieten digitale Plattformen schnelle Verbindungen und breiten Zugang zu Informationen, doch sie fördern oft Oberflächlichkeit und Vereinzelung. Der direkte, menschliche Kontakt hingegen ermöglicht Empathie, Vertrauen und Verständnis – Qualitäten, die keine virtuelle Plattform ersetzen kann. Gerade in Zeiten sozialer und politischer Spaltungen ist die reale Begegnung wichtiger denn je. Wir brauchen Zeit, Einstellung und Räume für reale Begegnungen, in denen wie wieder lernen, miteinander statt übereinander zu sprechen.

3. Ende des Schwarz-Weiß-Denkens
Die großen Fragen lassen sich nicht mit einfachen Antworten lösen. Schwarz-Weiß-Denken führt in die Sackgasse, weil es die Komplexität ignoriert. Wir müssen lernen, statt im Entweder-Oder besser im Sowohl-Als-auch zu denken und zu arbeiten: Fortschritt und Tradition, Freiheit und Verantwortung, Individualität und Gemeinschaft sind keine Gegensätze, sondern ergänzen sich.

Und statt soziale Sicherheit gegen die innere und äußere Sicherheit auszuspielen, sollten sie als ineinandergreifende Bestandteile einer stabilen Gesellschaft verstanden werden. Auch die aktuellen technologischen, ökonomischen und strukturellen Veränderungen lassen sich nur mit einer Bereitschaft gestalten, Ambivalenzen auszuhalten und konstruktiv mit Widersprüchen umzugehen.

Es liegt an uns allen, diese Prinzipien in den Mittelpunkt zu rücken und eine Kultur des respektvollen Dialogs zu fördern. Nur so können wir gemeinsam Zuversicht entwickeln und die Herausforderungen unserer Zeit bewältigen.

Weitere Zeitschriften vom Verlag Kendl & Weissbach Publikationen

Franken-Magazin

Das Franken-Magazin ist eine unabhängige Zeitschrift – ein Regionalmagazin, das alle 2 Monate erscheint und die mehrseitige Reportage zum Mittelpunkt seines Inhalts erklärt. Das Franken-Magazin zeigt Land und Leute liebevoll von ihrer interessantesten Seite.

Franken-Magazin - Ausgabe 03-04 2023

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