Pure Lebensfreude für Europas Zukunft
Rund um den 1. Mai ist Uffenheim im Ausnahmezustand. Tagelang feiert die mittelfränkische Stadt ihr Walpurgi-Fest. Höhepunkt ist der spektakuläre Umzug der Vereine und Gruppen, den dieses Jahr die Maienkönigin Julia Anwander anführte. Einen wichtigen Part übernahmen dabei die Delegationen der drei Partnerstädte Pratovecchio-Stia (Italien), Egletons (Frankreich) und Kolbudy (Polen). Hier wird Europa gelebt und gefeiert.
Text + Fotos: Sabine Haubner
Walpurgisfeste sind bekannt für ihre schaurig-mystische Stimmung, wenn in der Nacht zum 1. Mai Hexen und Teufel ihr Unwesen treiben. Ein Walpurgi-Fest ganz anderer Art, geradezu das lichte Gegenteil, begeht das mittelfränkische Uffenheim. Hier regieren die strahlend schöne Maienkönigin, ihr royales Gefolge, internationale Freundschaften und die pure Lebensfreude. Es ist der unbestrittene Höhepunkt unter einer ganzen Reihe bemerkenswerter Feste der Stadt an der Gollach: mehrtägig, international und am 1. Mai kulminierend in einem spektakulären Umzug. Für Uffenheim ist dieses traditionelle Fest so eine Art 5. Jahreszeit. Ausnahmezustand also, der angenehmsten Art.

Ausnahmezustand mit Monarchin
In diesem Jahr entwickelte Walpurgi zu seinem 75. Jubiläum besondere Strahlkraft. Uffenheim war sechs Tage lang im Festfieber, die günstige kalendarische Lage des 1. Mai machte es möglich. Für einen Superlativ sorgten die Partnerstädte Pratovecchio-Stia (Italien), Egletons (Frankreich) und Kolbudy (Polen), die mit 180 Gästen dabei waren, so viele wie noch nie. Und dann setzte das sommerliche Wetter wie lange nicht mehr mit 26 Grad zusätzliche Glanzlichter auf die Attraktionen des Festumzugs.
Bürgermeister Wolfgang Lampe eröffnete die Festwoche mit dem Bieranstich am 30. April. Das volle Programm am Festplatz: Zeltbetrieb an allen Tagen, Countryband, „American Night“, Fußballturniere, Blasmusik, Festgottesdienst, Stadtführungen, vieles mehr – bis zum fulminanten Feuerwerkfinale. Außerdem verlockten Fahrgeschäfte zu losgelöstem Vergnügungstaumel, und der Krämermarkt bot Nützliches und Dekoratives. Letzteres Angebot knüpft an die Ursprünge des Festes an: Viehmärkte, die 1699 vom damaligen Landesherrn Markgraf Georg Friedrich II. als Privileg eingeführt wurden. Aus ihnen entwickelte sich der sogenannte „Kälbelesmarkt“, auf dem nicht nur Vieh und Waren lautstark feilgeboten, sondern auch spätere Hochzeiten eingefädelt wurden. Die zeitgemäße Neuauflage mit Volksfestcharakter startete 1959 als Walpurgi-Fest. 1960 bekam es sein Sahnehäubchen aufgesetzt mit der Krönung der ersten Maienkönigin. Diese repräsentiert seitdem Uffenheim bei Festen der Region, aber auch in seinen europäischen Partnerstädten. In diesem Jahr fieberte Julia Anwander ihrem neuen Amt entgegen. Am Morgen des 1. Mai bekommt sie beim Empfang der Schirmherrin, der stellvertretenden Regierungsvizepräsidentin Birgit Riesner, vor der Stadthalle von ihrer Vorgängerin Lena Jacob die Schärpe umgehängt, begleitet vom Jubel der Ehrengäste und Zuschauer. Bürgermeister Lampe begrüßt sie alle, die Uffenheimerinnen und Uffenheimer, die Politikprominenz der Region, die Weinprinzessinnen und -prinzen. Die am weitesten Angereisten, alle um die 1.000 Kilometer, „unsere Freunde aus Pratovecchio-Stia, Egletons und Kolbudy“, heißt er besonders herzlich willkommen.

Ein Stück gelebtes Europa
„Uffenheim ist stolz auf seine Partnerschaften … Diese Verbindungen zeigen, wie wichtig es ist, den Dialog zu pflegen, gemeinsame Projekte zu entwickeln und voneinander zu lernen. Sie sind ein Beweis dafür, dass Europa durch Zusammenarbeit und gegenseitigen Respekt gestärkt wird.“ Städtepartnerschaften sind ein Stück gelebtes Europa – unverzichtbar in einer Welt der Dauerkrisen und Konflikte, betonen auch die politischen Vertreter der Partnerstädte in ihren Reden. Für Luca Santini, Bürgermeister von Pratovecchio-Stia, sind sie ein wirksames Mittel gegen Isolation und Misstrauen. Marek Golinski, Bürgermeister von Kolbudy, versichert: Europäische Zusammenarbeit beginne in den Kommunen, bei den einfachen Bürgern. „Unsere Partnerschaft ist das beste Beispiel dafür.“ Patricia Dubouchaud, stellvertretende Bürgermeisterin von Egleton, blickt bewegt auf 25 Jahre Städtepartnerschaft zurück. Eine Zeit der intensiven Verbindung, der persönlichen Freundschaften zwischen Lehrern, Eltern, Kindern, Vereinen. „Lasst uns das Feuer dieser Verbindung lebendig halten!“
Wenig später sind sie Teil des bunten und überwältigenden Defilees, das sich zwei Stunden lang durch die malerische Altstadt bewegt, die noch von einer weitgehend erhaltenen historischen Stadtmauer eingefasst wird. Im Takt der zünftigen Klänge der Gollachgau-Musikanten laufen die Delegationen mit Weinhoheiten und anderen Ehrengästen im Gefolge der Maienkönigin mit. Diese führt den Zug an, mit Regierungsvizepräsidentin Birgit Riesner im blumengeschmückten Zweispänner sitzend. Die Delegationen der Partnerstädte schwenken rot-weiß gestreifte Fähnchen, die französische und die italienische Trikolore, werfen polnische Karamellen in die Menge, präsentieren sich stolz in der blau-weißen, bunt bestickten Tracht ihres Landes, strahlen und werden von den Zuschauern am Straßenrand bejubelt. Tausende drängen sich entlang der Route und bestaunen fast 60 Gruppen in beeindruckender Vielfalt. Obst- und Gartenbauvereine in grünen Schürzen ziehen Blumenarrangements auf Leiterwagen hinter sich her, die Tanzgruppe „Step up“ legt eine Choreographie hin, Akrobatinnen schwingen sich kollektiv in den Handstand, mit wippenden Fliegenpilzhüten wuseln die Langensteinacher Glückspilze vorbei. Dazwischen ganz viel Mittelalter: Ordensritter zu Fuß, Kaiserin Kunigunde vom Osing aus ihrer Sänfte huldvoll winkend, die Festspielgemeinschaft Florian Geyer, malerische Zeitreisende zu Pferde wie die Gruppe der Rittertage Uffenheim oder die verwegenen Kroaten. Dazwischen defilieren Weinbauvereine, gibt es Oldtimerromantik, und die Basketballer der Sportgemeinschaft Bomhard-Schule Uffenheim agieren an ihrem mobilen Basketballkorb.

Immenser Aufwand, kreative Beiträge
Verblüffend, was die Vereine und Gruppen so alles auf die Beine gestellt haben. Und auch die Organisatorinnen der Stadt hatten eine Mammutaufgabe zu bewältigen. Die Vorbereitungen begannen schon ein halbes Jahr vorher. „Die letzten sechs Wochen ist dann Land unter“, wie es Bürgermeister Lampe formuliert. Die städtischen Partnerschaftsvereine sorgen derweil für Unterkunft und Unterhaltung ihrer Freunde etwa mit Sightseeing-Programmen, die Würzburg oder Rothenburg o. d. Tauber ansteuern. Und so sind denn alle Organisatoren froh, wenn mit dem Ausklang des Zuges auf dem Festplatz die offiziellen Veranstaltungen so gut über die Bühne gegangen sind. Bürgermeister Lampe resümiert glücklich: „Alles rundum gelungen.“
Da kann es ja gleich weiter gehen mit dem nächsten Event. Anfang Juli präsentieren sich die Rittertage im Schlosshof, wenig später steigt das legendäre Deutsch-Italienische Weinfest. Und wieder werden die Freunde aus Pratovecchio-Stia anreisen, Wein und Spezialitäten aus ihrer toskanischen Heimat mit im Gepäck. Die innige Beziehung wird weiter gepflegt und gefeiert.
