Ausgabe September / Oktober 2025 | Wissenschaft

Nürnberg bringt Bayern zum Funkeln

Das Nicolaus-Copernicus-Planetarium hat als mittlerweile einziges Großplanetarium im Freistaat die Wirren der Geschichte überlebt. Das Sternentheater am Nürnberger Plärrer wird im Herbst zum Schauplatz von kosmischen Begegnungen.

Text: Nikolas Pelke
Foto: Uwe Mühlhäußer
Foto: Uwe Mühlhäußer

Nürnberg – Berge, Seen und Sterne: Bayern ist fast überall spitze. Nur wenn es um Planetarien geht, steht der Freistaat fast blank dar. Ausgerechnet Nürnberg holt für das hightechverliebte Bundesland die astrophysikalischen Kohlen aus dem Feuer. Das Nicolaus-Copernicus-Sternentheater am Plärrer ist das einzige, noch bestehende Großplanetarium zwischen Aschaffenburg und Berchtesgaden. „Das Nicolaus-Copernicus-Planetarium ist eines von neun Großplanetarien in Deutschland und das einzige Großplanetarium in Bayern“, freut sich mit Katharina Leiter die Chefin des Sternentheaters am Plärrer in Nürnberg.

Dabei ist es eigentlich kein Wunder, dass die fränkische Industriemetropole schon früh in einen futuristischen Sternenprojektor investierte. Bereits in den 1920er Jahren hatte die aufstrebende Arbeiterstadt das erste Planetarium am Rathenauplatz als Symbol des Aufbruchs in die Moderne zum Ärger der Nationalsozialisten eröffnet. Nach den Erschütterungen der Wirtschaftskrise und den Folgen der Machtergreifung setzte NS-Gauleiter Julius Streicher 1933 zunächst die einstimmige Schließung durch den Stadtrat und wenige Monate später sogar den kompletten Abriss des Planetariums mit seiner angeblich an eine Synagoge erinnernden, über 20 Meter messenden Kuppel durch.

Den alten Zeiss-Projektor retteten die Nürnberger vor den Bomben im 2. Weltkrieg. Die Nazis hatten das allererste Planetarium wegen der angeblich an eine Synagoge erinnernden Kuppel nach der Machtergreifung zerstört. Foto: Stadtarchiv Nürnberg
Den alten Zeiss-Projektor retteten die Nürnberger vor den Bomben im 2. Weltkrieg. Die Nazis hatten das allererste Planetarium wegen der angeblich an eine Synagoge erinnernden Kuppel nach der Machtergreifung zerstört. Foto: Stadtarchiv Nürnberg

Immerhin warfen die Nürnberger den teuren Projektor nicht auf den Schrott, sondern bunkerten die filigrane Technik aus dem Hause Zeiss unter der Erde in den Bierkellern im Schatten der Kaiserburg sicher ein. Nach dem überstandenen Bombenhagel konnte der Projektor wieder relativ unbeschadet hervorgekramt werden. Um die „Kulturschande“ nach der Planetariumszerstörung wieder wettmachen und der „moralischen Verpflichtung“ genüge tun zu können, wurde zur Hochzeit der Wirtschaftswunderjahre ein neuer Kuppelsaal zwischen dem nüchternen Plärrerhochhaus als moderner Heimat der Stadtwerke und dem verspielten Volksbad als Hochburg des Jugendstils zu Beginn der 60er Jahre eröffnet. „Der Sternenhimmel hat uns Menschen schon immer zum Träumen ermutigt. Er beflügelt unsere Phantasie, versetzt uns in Staunen und lässt uns über uns hinauswachsen“, ist sich Leiter sicher.

Der Erfolg war in Nürnberg tatsächlich nach dem Re-Start von Anfang an enorm. Statt der geplanten 5 000 Besucher strömten schnell 30 000 staunende Augenpaare pro Jahr in den multifunktionalen Kuppelsaal gleich neben dem mit genau 15 Stockwerken seinerzeit höchsten Wolkenkratzer im gesamten Freistaat. Wenn der Vortragssaal der Stadtwerke für repräsentative Anlässe – beispielsweise besuchte das thailändische Königspaar die Teeterrasse in der höchsten Etage das Plärrerhochhauses mit dem herrlichen Blick auf die Altstadt – genutzt werden musste, verschwand der Projektor auf einer Hubanlage per Knopfdruck im Keller. Der mosaikverzierte Aufzugsschacht prägt bis heute das Foyer des Sternentheaters, das durch die aktuell kurz bevorstehende Wiederöffnung des Volksbades zuletzt wieder verstärkt ins Zentrum der Aufmerksamkeit in der sternenverrückten Großstadt gerückt ist. Im August hat die Kuppel sogar einen neuen Anstrich erhalten, um die Qualität der zahlreichen Sternenshows weiter zu verbessern. Pünktlich zum 500. Geburtstag des Namensgebers, dessen heliozentrisches Hauptwerk „Über die Umlaufbahnen der Himmelssphären“, wonach die Erde ein Planet ist und sich um die Sonne bewegt, immerhin in Nürnberg erschien, wurde ein neuer Projektor für knapp zwei Millionen Mark angeschafft, der bis heute rund 80 000 Besucher pro Jahr ins Planetarium am Plärrer lockt.

Heute werden in Live-Vorträgen nicht nur regelmäßig aktuelle Konstellationen am bayerischen Sternenhimmel erläutert und die Faszination für das Weltall thematisiert. „Das Planetarium in Nürnberg ist ein unvergleichlicher Erlebnisort“, schwärmt Leiter. „Die 360-Grad-Fulldome-Projektionen ermöglichen den Besuchern in ferne und abstrakte Welten einzutauchen, die sie so nie betreten könnten und macht dieses erfahrbar. Es baut eine emotionale Brücke zu diesen unendlichen Weiten und hilft uns Menschen, uns in diesem großen Ganzen besser zu verorten“, sagt die Astrophysikerin. Auch für kosmische Events werden Kuppel und Projektor genutzt. Der bekannte Schriftsteller Raoul Schrott hat zum Beispiel das Nürnberger Nicolaus-Copernicus-Planetarium ausgewählt, um seinen genauso ehrgeizigen wie voluminösen „Atlas der Sternenhimmel“ am 24. Oktober höchstpersönlich hier vorzustellen. In seinem epochalen Werk hat Schrott nicht nur die Sternenhimmel von allen Kontinenten zusammengetragen, sondern auf fast 1300 Seiten auch die gesammelten Sternsagen von Afrika über Asien bis Amerika versammelt. Laut Schrott sei der Große Wagen für die Maya ein göttlicher Papagei und für die Inka der einbeinige Gott des Gewitters gewesen. Im Zusammenspiel mit den einzigartigen Möglichkeiten des Planetariums zur künstlichen Projektion des Firmaments an das Kuppeldach will Schrott den Besuchern das globale Sternenzelt als funkelndes Epos der Menschheitsgeschichte präsentieren. Ein passenderen Ort als Nürnberg in Bayern hätte sich Schrott für diese genauso gewaltige wie spektakuläre Aufgabe wahrscheinlich nicht aussuchen können. „Die Geschichten, die wir Menschen an Hand der Sterne erzählen, erzählen auch immer etwas über uns selbst, über die Kultur, in der wir aufgewachsen sind und die uns geprägt hat“, sagt Leiter und zitiert eine Zeile aus Schrotts neuem Sternenatlas. „In einer Zeit vor der Schrift, war unser Sternenhimmel ein Kino der Nacht.“ Leider drohe dieser Schatz der Menschheit immer mehr in den Hintergrund zu geraten. Die Jugend würde heute laut Leiter leider lediglich mit einem schalen Abbild dieses großen Kulturgutes groß. „Hier in unserem Planetarium können wir den Sternenhimmel in seiner vollen Pracht erstrahlen lassen und die Faszination für dieses unvergleichliche Kunstwerk der Natur wieder von neuem wecken“, blickt Leiter zuversichtlich in die funkelnde Zukunft des faszinierenden Kosmos.

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