Ausgabe September / Oktober 2025 | Handwerk

Moderne Technik kommt uns nicht ins Sudhaus

Einmalig in Europa: Die Kommun-Brauer in den Haßbergen und das Brauwesen in Dörflis

Text + Fotos: Florian Hiller
Bierbrauen ist ein echtes Handwerk: Vorsitzender des Brauhaus Dörflis, Berthold Feuß.
Bierbrauen ist ein echtes Handwerk: Vorsitzender des Brauhaus Dörflis, Berthold Feuß.

Feinperlig wie Champagner, bernsteinfarben wie teurer Cognac von Hennessy – und vor allem – außergewöhnlich gut! So lässt sich das Bier von Kommun-Brauer Berthold Geuß wohl am besten beschreiben. Doch nicht nur der Geschmack des Bieres ist außergewöhnlich. Noch beeindruckender ist die Herstellung des Gerstensafts, der in der 1840 von Herzog Ernst I Sachsen Coburg und Gotha erbauten Brauerei „Brauhaus Dörflis“ mitten im beschaulichen Dörflis gebraut wird. Es ist eines von insgesamt noch elf Kommun-Brauereien in Unterfranken.

Die Idee der Kommunbrauhäuser geht auf die Selbstver­waltung der Dörfer zurück, deshalb ist im Brauhaus auch das Rathaus untergebracht. Voraussetzung zum Brauen war früher, dass man Grundbesitz im jeweiligen Ort hatte. Mittlerweile kann jeder Dörf­liser, der Interesse hat, bei den Kommunbrauern Mitglied werden und mitmachen.

Der Ort liegt im Norden Frankens, eingebettet in die sanften Hügel der Haßberge. Hier wird dieses einzigartige Kulturerbe bis heute am Leben erhalten. Es ist das älteste Brauverfahren in ganz Europa. Das ist auch von offizieller Stelle bestätigt: „die Universität in Weihenstephan hat die reinste Handarbeit bestätigt und ist auch Teil der Dörfliser Satzung“, erzählt Geuß stolz.

Die Kommunbrauer, auch als „Gemeinschaftsbrauer“ bekannt, sind keine gewerblichen Brauereien im klassischen Sinne. Vielmehr handelt es sich um einen Zusammenschluss von Bürgern, die gemeinsam nach alten Rezepturen und Methoden ihr eigenes Bier brauen. Der Ursprung dieser Tradition reicht bis ins Mittelalter zurück, als viele Dörfer das Braurecht erhielten – ein Privileg, das damals eng mit der lokalen Versorgung und dem sozialen Gefüge verbunden war. Heute sind diese Kommunbrauereien seltene Zeugnisse einer fast vergessenen Zeit.

Das Bier wird per Hand in den Sudkessel gepumpt.
Das Bier wird per Hand in den Sudkessel gepumpt.

Dörflis zählt zu den wenigen Gemeinden in Bayern, in denen regelmäßig – genauer gesagt sechsmal im Jahr – noch wie vor rund 300 Jahren gebraut wird. Der erste Vorsitzende der Kommunbrauer Dörflis, Berthold Geuß, ist ein leidenschaftlicher Bewahrer dieser Braukunst. Er erzählt mit Stolz von der langen Geschichte und dem gemeinschaftlichen Geist, der das Brauen in Dörflis ausmacht:

„Wir brauen wie vor 300 Jahren – und das ist keine Floskel. Vom Anfeuern des Holzofens über das Schroten des Malzes bis zum Abkühlen der Würze im offenen Kühlschiff geschieht hier alles von Hand. Moderne Technik kommt uns nicht ins Sudhaus“, berichtet Geuß. „Unsere Biere haben Charakter, weil sie mit Zeit, Hingabe und im Einklang mit der Natur entstehen.“ Dass das Ganze auch noch nachhaltig geschieht, ist eher Zufall. „Strom brauchen wir beim kompletten Brauvorgang nicht – außer es wird draußen dunkel, dann schalten wir eine Lampe ein“, erklärt Geuß.

Das mag vielleicht altmodisch klingen, ist aber wahrscheinlich der Grund, warum es immer noch solche Brauhäuser gibt. In einer Welt, die immer schneller und digitaler wird, bietet Dörflis einen Gegenpol – echte Handarbeit, echtes Bier, echte Gemeinschaft. Der Fortbestand der Kommunbrauer ist jedoch keine Selbstverständlichkeit. In vielen Ortschaften sind die Brauhäuser längst verstummt, das Wissen verloren gegangen. In Dörflis jedoch wird das Erbe aktiv gelebt. Das Bier selbst ist nicht im Handel erhältlich – es bleibt ein Schatz der Gemeinschaft, gebraut für Freunde, Nachbarn und alle, die mithelfen.

Geuß schlichtet gerade die restlichen Fichten-Scheite, die vom vergangenen Brautag übriggeblieben sind, sauber neben den rund vier Meter hohen Braukessel. Außen ist er mit roten Backsteinen gemauert – innen befindet sich ein großer Kupferkessel. „Hier heizen wir am Brautag das Wasser auf“, erklärt Geuß. Das Brauen beginne aber bereits am Abend zuvor, dann werde das Malz geschrotet. „Sechzehn Säcke brauchen wir für einen Sud“, sagt der Brauer.

„Wenn wir uns dann am nächsten Morgen treffen, heizen wir den Kessel mit dem Wasser auf. Wenn das Wasser die richtige Temperatur hat, wird es aus dem Kessel in eine große runde Eichenkufe geleitet. Dann sind viele Hände gefragt. „Beim Einmaischen kippen wir das Malz ins warme Wasser, zwei Leute müssen mit dem Brau-Scheit ständig rühren“, so Geuß. Ist das erledigt kommt wieder wärmeres Wasser dazu. Wenn die richtige Temperatur erreicht ist, folgen die so genannten Rasten.

Bei diesem biochemischen Prozess wird die Stärke im Malz in Zucker umgewandelt. „Dann kommt ein angenehmer Teil“, sagt Geuß und lacht „die Läuterruhe ist die Zeit, in der der Treber von der Würze getrennt wird – und die Brauer auch mal das Ergebnis des vergangenen Brautags testen“.

Nach der Läuterruhe wird die Würze – per Hand – über eine Schwengel-Pumpe wieder zurück in den Kessel gepumpt. Dann wird´s heiß – im wahrsten Sinne des Wortes. Wenn die Würze kocht, kommt die Hopfengabe. „Dabei ist es schon vorgekommen, dass die Würze aufschäumt und überkocht – da ist schon so mancher Brauer ganz schnell die Treppe runtergesprungen“, scherzt Geuß. Wenn die Würze gekocht ist, kommt sie über ein großes Kupferrohr in das alte eiserne Kühlschiff, wo sie über Nacht auskühlen kann. Das Kühlschiff ist ein echtes Unikat und allein schon wegen seiner Größe beeindruckend. Rund zwei Meter breit und acht Meter lang ist der über hundert Jahre alte Metall-Kollos. Die Oberfläche ist leicht klebrig „wir sprühen das Schiff mit Zuckerwasser ein – das hilft gegen Rost“, erklärt Geuß.

Laut dem Bayerischen Reinheitsgebot – die bis heute weltweit älteste lebensmittelrechtliche Bestimmung – darf Bier nur aus drei Zutaten bestehen: Hopfen, Malz und Wasser. Um den Gärprozess am nächsten Tag in Gang zu setzen, braucht es aber noch Hefe. Viele Brauer sprechen auch von der Seele des Biers. Die Hefegabe ­erfolgt am Sonntagmorgen, wenn die Würze vom Kühlschiff in die Gär-Kufe gefüllt wurde. Dann beginnt der eigentliche Gärprozess, bei dem Zucker in Alkohol und CO² vergärt.

„Unsere Gärkufe ist ein unterfränkisches Original“, zeigt sich Geuß stolz. „Die alte war nicht mehr zu gebrauchen, dann sind wir mit unserem Anliegen auf die Büttnerei Aßmann in Eußenheim zugegangen“. Die hätten zwar eine solche Kufe noch nicht gebaut – waren aber von Beginn an von der Idee begeistert. So sei dann die Kufe aus Spessart-Eiche gebaut worden, die sonst hauptsächlich für den Bau von Fässern für hochwertige Rotweine genutzt wird. Und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Nach rund zehn Tagen ist das Bier dann vergoren und kann in Flaschen oder Fässer gefüllt werden. Die 1500 Liter Bier werden dann unter den Brauern verteilt oder am Braufest ausgeschenkt. Käuflich erwerben kann man den köstlichen Gerstensaft leider nicht, das wäre gegen die Satzung. Der Fortbestand der Kommunbrauer ist jedoch keine Selbstverständlichkeit. In vielen Ortschaften bleiben die Braukessel kalt und das Wissen geht verloren.

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