Ausgabe Juli / August 2025 | Kultur

Aufwiegler oder Märtyrer?

Bauern und der Bauernkrieg gesehen aus verschiedenen politischen Blickwickeln

Text: Eva-Suzanne Bayer
Heinz Zander, Trommler im Frühling (Bauernkriegszyklus), 1980, Öl auf Hartfaser, 165 × 195 cm, Mühlhäuser Museen
Heinz Zander, Trommler im Frühling (Bauernkriegszyklus), 1980, Öl auf Hartfaser, 165 × 195 cm, Mühlhäuser Museen. Foto: ©VG-Bild-Kunst-Bonn-2025_Foto-Tino-Sieland

Leicht lassen sich die Gemälde und Grafiken im Würzburger Museum im Kulturspeicher (MiK) nicht entschlüsseln. Da rennen Massen gegeneinander an, da sind Speere und Sensen aufeinander gerichtet, es herrschen Chaos, Tumult, blutrünstige Hatz und Kampf bis zum bitteren Ende. Es ist halt (leider) Krieg auf den Bildern, deutscher Bauernkrieg 1525. Wie dieser Bauernkrieg jedoch beurteilt wird, das hängt, so lernt man aus den Exponaten, vom ideologischen Blickwinkel der jeweiligen Interpreten ab. Konservative Ordnungshüter sahen im Bauernkrieg eine schlimme, letztlich aber unwesentliche Episode in der schlimmen Geschichte Deutschlands. Für diejenigen, deren Herz links schlug, war der Bauernkrieg der Vater aller Revolutionen. Zwar ging die Sache für die Bauern damals übel aus. Doch das Gedankengut der Rebellen, der Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit und altgediente Hierarchien, streute die Saat zu allen folgenden Revolutionen. Zum 500. Jubiläum dieses in Franken nur knappe sechs Wochen dauernden Aufstand (Ende April bis Anfang Juni 1525) stellt das MiK unter der Kuratorin Henrike Holsing eine hochinteressante, zum Nachdenken anregende Ausstellung „BAUERN! Protest, Aufruhr, Gerechtigkeit“ vor, die die Rezeption der Bauernkriegs aus den Perspektiven unterschiedlicher politischer Positionen vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart aufzeigt.

(Bauern als) brutale Rebellen

Bis ins frühe 19. Jahrhundert fehlen literarische Zeugnisse oder Gemälde bzw. Grafiken zum Bauernkrieg. Einige Künstler, wie der Würzburger Tilman Riemenschneider oder der Maler Jörg Ratgeb aus Württemberg, waren zwar in die Aufstände verstrickt, machten sie aber nicht zum Thema ihrer Werke. Sie zahlten ihr Engagement mit dem Leben oder dem Verlust ihrer Schaffenskraft – und wurden für lange Zeit vergessen. Wie immer wird die Geschichte von den Siegern geschrieben und die Bauern verurteilte man als marodierenden Haufen, der altbewährtes Recht und Ordnung gewalttrunken zerstören wollte. In diesem Sinne deuten die beiden großen Historiengemälde von Rudolf Hofmann (1820 – 1882; 1846) und Fritz Neumann (1852 – 1922; 1879) die Erstürmung der Burg Weinsberg und die Gefangennahme des Grafen von Helfenstein. Während die stattliche Burg in Flammen aufgeht, schleppt eine blutrünstige Bauernmeute den Adeligen zu seiner Hinrichtung durch Spießrutenlauf. Da mag seine schöne Frau noch so sehr um Gnade flehen. Die Sympathie der Maler gehörte sichtlich nicht den Bauern. Vielmehr wollten sie, gerade in den revolutionären Zeiten nach 1830 und 1848 vor unbotmäßigen Aufständen warnen. Zugleich aber stiegen einige Anführer der Bauernkriege im Ansehen. Besonders Florian Geyer, dem seit 1925 Festspiele in Giebelstadt gewidmet sind, erschien auf Holzschnitten in heldenhafter Pose. Lovis Corinth aber wagt 1906 nur ein Rollenbild: er zeigt den Schauspieler Rudolf Rittner in seiner Rolle als Florian Geyer todesmutig, als einen, dessen Größe die kommende Niederlage nicht schmälern kann.

Magnus Zeller, Thomas Müntzer, 1950, Öl auf Leinwand, 120 × 91 cm, Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie
Magnus Zeller, Thomas Müntzer, 1950, Öl auf Leinwand, 120 × 91 cm, Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie. foto: © VG Bild-Kunst, Bonn 2025 und bpk/Nationalgalerie, SMB

 

(Bauern als) Vorkämpfer zu mehr sozialer Gerechtigkeit

Die diametral andere Sicht auf die historischen Ereignisse des Bauernkriegs beginnt mit der Sozialistin Käthe Kollwitz (1867 – 1945) und ihrem Zyklus „Bauernkrieg“ (1902/03 – 1908). Schon zehn Jahre zuvor prangerte sie im „Weber“-Zyklus Ausbeutung und Not der schlesischen Weber an, was zum durch die Regierung gewaltsam niedergeschlagenen Weberaufstand führte. In den sieben Radierungen zum Bauernkrieg blättert Kollwitz zuerst die Unterdrückung, das Leid und die Ohnmacht der Bauern gegenüber ihren Peinigern auf und analysiert damit die Ursachen für den Aufstand. Sie lässt die „schwarze Hofmännin“ die Sense dengeln- und dabei auf den Gedanken zu einem anderen Gebrauch ebendieser, nämlich als Waffe, nachdenken. Gedanken werden Taten. Im nächsten Blatt schließt diese fast unbekannte Heldin die amorphe Masse der Rebellen zu einem wahren Rammbock zusammen. Kollwitz folgt aber auch einer anonymen Frau auf das Schlachtfeld bei der Suche nach dem getöteten Sohn. Als erste Künstlerin interpretiert Kollwitz den Bauernkrieg als gerechten Aufstand gegen eine zutiefst ungerechte Weltordnung. Die Holzschnitte von Wilhelm Geißler (1895 – 1927) „Bauernkrieg“ 1926 konzentrieren sich noch im historischen Gewand auf Einzelfiguren wie den Träger der Bundschuhfahne, eine Trommlerin, einen zum Angriff stürmenden Mönch, einen vorwärts jagenden Bauern, Gefangene und einen Geräderten. Geißler weitet den irdischen Kampf zur kosmischen Schlacht, in der Sonne und Sterne Partei für eine neue, eine gerechtere Gesellschaft ergreifen.

Berlin während des Novemberaufstands von 1919 ist der Schauplatz in Ernst Sterns sechs Lithographien umfassenden Mappe von 1919. Aus der Vogelperspektive blickt man auf dynamisch zugespitzte Menschenblöcke, es gibt keine Individuen nur Macht und Masse, die sich unter den Schüssen des aufmarschierenden Militärs in Ohnmacht und Massenflucht verwandelt. Kurz vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten gestalten Alfred Frank (1884 – 1945) und Franz Wilhelm Seiwert (1894 –  1933) zwei völlig unterschiedliche Gemälde zum Thema Revolution. Frank baut eine schwere Brücke vor dem Betrachter auf: Ganz oben marschiert ein Demonstrationszug mit roten Fahnen, unter den Brückenböden dampfen die Fabrikschlote: Ursache und Wirkung sind auf engem Bildraum zusammengepresst. Seiwert dagegen, Chef der Kölner „Progressiven“, reduziert im „Deutschen Bauernkrieg“ 1932 sechs in unterschiedliche Richtungen orientierte Menschengruppen auf geometrisch Grundformen, stellt sie zwischen braune und grüne Rechtecke (Felder?), lässt eine rote Sonne auf- (oder unter-)gehen. Revolutionskunst, sonst um stilistische (Über)Deutlichkeit bemüht und mit heftigem Agit-Prop aufgeladen, wird hier zur kühlzeitlosen Parabel.

Verkitschtes Bauernbild im NS- Regime

In der NS- Regierung ändert sich der Blick auf den Bauernkrieg fundamental. Die NSDAP sah sich als Vollender und Vollstrecker der im Bauernkampf propagierten Ziele. Dabei vergaßen sie die wesentlichen Visionen von Freiheit und Gleichheit, schoben die Schuld am Scheitern der Vorgänger dem Fehlen einer charismatischen Führerfigur zu, die ja jetzt vorhanden war. Bauern wurden nun als Vorbilder in Literatur und Kunst zitiert. Im neugeschaffenen Gau Mainfranken gab es etliche Maler, die Winzermädchen und Frankenbuben verkitschten und ideologisch verbogen. Hatten früher Maler aus der Großstadt den Bauern entweder im Sonntagsstaat gemalt oder fotografiert wurden sie nun zu monumental aufgebauten Idolen einer verlogenen Ideologie.

Mit jeweils anderen Augen: DDR und BRD

Noch spannender wird die ohnehin spannungsvolle Ausstellung bei der Gegenüberstellung der Rezeption der Bauernkriege durch die BRD und die DDR. Im Westen, wo Widerstand noch immer suspekt war, weil man sich durch amerikanische Befreiung auf der richtigen Seite der Freiheit wähnte, blieb der Bauernkrieg unliebsame historische Marginalie. Das 450. Jubiläum des Aufstands wurde 1945 weitgehend ignoriert. Dass der Geist der „12 Artikel“, mit denen die Bauern 1525 auf Grundrechte pochten, in unser Grundgesetz und die Charta der Menschenrechte einfloss, negierte man. Ganz anders im „ Arbeiter- und Bauernstaat“, der DDR. Hier ließ Magnus Zeller, der schon die Novemberrevolution in seinen Arbeiten verklärt hatte, die alten Heldenfiguren – wie Thomas Müntzer – wieder hochleben.

Er pries sie, wie die SED- Doktrin es befahl, als direkte Ahnen der DDR. Sein „Thomas Müntzer“ (1950) stürmt unter roten Fahnen, zwischen Lanzen und sichelförmigen Messern vorwärts, in der einen Hand ein Buch, in der anderen einen Hammer schwingend.

Eine ganz besondere Koproduktion gingen der Schwabe von der Achalm HAP Grieshaber (1909 – 1981) und der Dresdner Staatskünstler Bernhard Heisig (1925 – 2011) ein. Zusammen gaben sie 1975 zum 450. Jahrestag des Bauernkriegs die Mappe „Dran, dran, weil ihr Tag habt“ mit Originalgrafiken und Texten im Reclam Verlag Leipzig heraus. Grieshaber, ein notorisch Linker (wie man damals auf der Rechten sagte) pflegte schon lange Kontakte zur DDR und ihren Künstlern, steuerte großformatige Farbholzschnitte von aufmarschierenden Volksmassen bei, einmal „Tauber und schwarzer Haufen“, einmal „Heller lichter Haufen“ genannt. Bernhard Heisig stellt das Leid der namenlosen Einzelnen in erschütternden „Sterbenden Bauern“ in den Fokus.

Bauern monumental

Der wohl wichtigste Beitrag der DDR-Kunst zum 450. Gedenken des Bauernkriegs ist der Auftrag zum Bauernpanorama in Bad Frankenhausen an Werner Tübke (1929 – 2004). 1975 begonnen, wurde es mit seinen 123 Meters Länge, 14 Metern Höhe und rund 3 000 Einzelfiguren erst im September 1989 zum Anlass des 500. Geburtstags von Thomas Müntzer der Öffentlichkeit übergeben. Geplant als Hymne auf die in der DDR verwirklichten Zukunftsvisionen Müntzers und mit hohem pädagogischem Anspruch, geriet das Panorama durch den Gang der Geschichte zum Abgesang auf den zerbrechenden Staat. Durch die sechsteilige Lithographiemappe „Vom schöneren Tod. Tübkes Bauernkriegsbilder“ (1981), die Mischtechnik „Vorfassung mit der Kogge“(1978) aus dem Museum am Dom und einem Videofilm wird zumindest ein kleiner Eindruck vom Monumentalepos ins MiK transportiert. In den mehr als zehn Jahren seiner Entstehung veränderte sich auch Tübkes Sicht auf den Bauernkrieg. Anfangs sollte das Panorama unmissverständlich die marxistische Geschichtsauffassung untermauern. Doch dann geriet es zum überzeitlichen Welttheater des immer wiederkehrenden Kampf um Gerechtigkeit und Freiheit.

Die Revolution ist immer und überall

Gerechtigkeit und Freiheit sind, das zeigen Geschichte und die Ausstellung, keine genormten Begriffe. Sie wandeln sich, werden verfälscht und zurechtgebogen. Denn wer die Macht hat, hat das Recht, und wer das Recht hat, beugt es auch. Wachsamkeit und Widerstand sind nötig, wenn die Freiheit der Einen auf die Kosten der Anderen geht, mögen sie nun Mehrheiten oder Minderheiten sein. Gleich am Eingang der Ausstellung wird das deutlich, indem der lebensgroße Josef Beuys auf dem Plakat „La Revoluzione siamo noi“ (Die Revolution sind wir von 1972) dem Besucher direkt entgegenmarschiert.

Wer dieses „Noi“, dieses „Wir“ ist, illustriert der letzte Teil der Ausstellung mit dem Video 2001 zum englischen Minenarbeiteraufstand von Jeremy Deller (geboren 1966), den Farbfotographien von Julian Roeder zu den Protesten beim G8- Gipfel in Genua 2001 und in Heiligendamm 2007 von Julian Roeder (geboren 1981) und die vom Fernsehbild abfotografierten und bearbeiteten Aufnahmen von Monika Huber (Jahrgang 1966), im „Archiv Einsdreissig“ (seit 2011) niedergelegt. Der Wucht dieser Bilder aus Libyen, Afghanistan, der Türkei, Russland, Myanmar und Iran kann man sich schwerlich entziehen. Sie belegen, wie gefährdet Freiheit und Recht auch heute sind. Immer und überall.
(bis 3. August 2025).

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