Jürgen Herzing, Oberbürgermeister der Stadt Aschaffenburg
Text + Fotos: Björn Friedrich

Als Oberbürgermeister von Aschaffenburg stand ich am 22. Januar 2025 vor einer der schwersten Prüfungen meines politischen und menschlichen Lebens. An diesem Tag hat ein brutaler Messerangriff auf eine Kindergartengruppe im Schöntal-Park unsere Stadt zutiefst erschüttert. Ein zweijähriger Junge und ein 41-jähriger Mann verloren ihr Leben, drei weitere Menschen wurden zum Teil schwer verletzt.
Ich bin in Aschaffenburg geboren und aufgewachsen. Seit 1974 bin ich bei der Freiwilligen Feuerwehr. Bei der Berufsfeuerwehr in Frankfurt am Main habe ich als Feuerwehrmann und Rettungssanitäter viele schlimme Dinge gesehen und erlebt. Doch ich kann mich nicht entsinnen, dass mich ein Umstand so berührt hätte wie dieser. Ich habe gesagt, „Ich fühle mit, als wäre mein eigenes Kind gestorben – oder mein Bruder.“ Diese Worte spiegeln die tiefe Trauer und das Entsetzen wider, die ich mit vielen Aschaffenburgerinnen und Aschaffenburgern teile.
Trotz des Schmerzes und der Wut, die einige empfinden, habe ich zur Besonnenheit aufgerufen. Nichts ist gefährlicher, als wenn sich aus der Tat eines Einzelnen eine Spirale der Gewalt und des Hasses aufbaut. Das ist in Aschaffenburg nicht geschehen. In dieser schweren Zeit haben viele Menschen in unserer Stadt Mitgefühl und Solidarität gezeigt.
Aschaffenburg war nicht erst in diesem Jahr in einer schwierigen Position. Unsere Nähe zum Rhein-Main-Gebiet, zwei Autobahnanschlüsse, ein ICE-Bahnhof und 35 Minuten Fahrzeit zum Frankfurt Airport, sind ein Pfund, mit dem wir in wirtschaftlicher und touristischer Hinsicht wuchern können. Die Corona-Pandemie hat jedoch gezeigt, dass dieses Pfund auch eine Kehrseite hat: Aschaffenburg wurde zum regelmäßigen Aufmarschplatz von Querdenkern und Gruppierungen mit rechter Gesinnung.
Doch ob 2025, 2021, oder auch die Flüchtlingskrise 2015, die ich als Bürgermeister von Aschaffenburg miterlebt habe – Aschaffenburg steht nicht nur für Krisen und Tragödien, sondern viel mehr für das Miteinander und die Solidarität der Bürgerinnen und Bürger einer Stadt die auch ein stolzes kulturelles Erbe mit sich trägt.
In Aschaffenburg leben Menschen aus 153 Nationen zusammen. 2015 haben sich Helferkreise gegründet, die teilweise heute noch bestehen. Aus diesen Helferkreisen und der Gegenbewegung gegen rechte Demonstrationen ist ein Aktionsbündnis erwachsen, dem inzwischen 325 Organisationen, Verbände, Vereine, Initiativen, Parteien sowie 587 Einzelpersonen angehören. Sein Name: Aschaffenburg ist bunt.
Dieser Kernsatz prägt meinen Blick auf unsere Heimatstadt: Wir feiern die Vielfalt unserer Gesellschaft. Immer wieder, in ganz unterschiedlichen Situationen, haben die Bürgerinnen und Bürger eindrücklich bewiesen, dass bei uns niemand außen vor bleibt – wir sind weltoffen, tolerant und solidarisch.
Als Oberbürgermeister werde ich weiterhin dafür eintreten, dass Aschaffenburg eine Stadt des Zusammenhalts und der Menschlichkeit bleibt. Ich bin stolz auf meine Stadt, in der Schloss und Pompejanum von einer eindrucksvollen Geschichte zeugen, die Kultur eine ganz besondere Rolle spielt, und Besucherinnen und Besucher nicht nur auf den vielen Festen herzlich willkommen geheißen werden.